Fußball-WM

Artikel 5

12. Nov. 2022
In wenigen Wochen beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Jetzt beschließt das Land Regeln zur Berichterstattung. Ein Schlag ins Gesicht für die Pressefreiheit. Warum Sport und Politik längst zusammengehören. Ein Kommentar.

Es wird schwarz am Fußballhimmel. Inmitten der Krönung zum*r Weltfußballer*in und dem DFB-Pokal zieht eine dunkle Wolke kurz vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft auf. Das Austragungsland Katar beschließt Regeln und Bestimmungen zur Berichterstattung des Großevents und tritt damit die Pressefreiheit mit Füßen – auch in Deutschland. 

So laut die Proteste auch sind: Die Fußball-WM 2022 findet statt. Trotz Verschiebung in die Wintermonate und trotz vermehrter Boykottaufrufe verschiedener Parteien. Acht Stadien lassen sich eben nicht so einfach wieder abreißen. Dennoch setzt das Land, das ohnehin mit Vorwürfen der Menschenrechtsverletzungen konfrontiert wird, dem Ganzen jetzt die Krone auf: Regeln und Vorschriften zur Berichterstattung für Journalist*innen auf der ganzen Welt. Wer über den Fußball berichten will, muss sich daran halten. Ansonsten: Pech gehabt.  

Katar schlägt schon jetzt Profit aus dem Sportereignis. Auf Kosten der Freiheit, die es in Deutschland so sehr zu schützen gilt. Weder Aufnahmen von Privaträumen, noch von öffentlichen Gebäuden dürfen gemacht werden. Es ist eindeutig, was das verhindern soll. Der Schein des glanzvollen Katars soll bewahrt werden, und da passt die Realität von Tausenden toten Arbeiter*innen und schlechten Lebensverhältnissen nicht ins Bild. Leider kein Einzelfall. Auch in Ländern wie China sind solche Vorgaben normal. Bei den Olympischen Spielen 2021 ließen Journalist*innen ihre Handys zurück, weil sie befürchten mussten, abgehört zu werden. Und Deutschland? Wird trotzdem seine Mannschaft nach Katar schicken, um sich im sportlichen Kampf gegen die anderen Länder durchzusetzen. Dabei ist es der falsche Kampf, der gekämpft wird.

Die bittere Ironie tut weh, denn gerade Deutschland sollte sich aufgrund seiner Geschichte in Dingen Zensur und Einschränkung der Presse auskennen. Doch die Deutschen halten fest an ihrer Kultur, an ihrem heiligen Sport, an ihrem Grundrecht Fußball. 

Frei und unabhängig. In Katar?

Auch der Weltfußballverband FIFA ist begeistert von Katar als Austragungsort, allen voran sein Präsident Gianni Infantino. Der zog vor einem Jahr sogar selbst in das arabische Land. Dabei verpflichtet sich die FIFA in ihren Statuten der Pressefreiheit und will sich aktiv für den Schutz von Menschenrechten einsetzen. Dieses Ziel hat sie gründlich verfehlt. Die immer wieder angekündigten Besserungen und Reformen – nichts als leere Versprechungen. Wenn sich Menschenrechtsorganisationen an sie wenden, löst sich die sonst so präsente Weltorganisation sogar in Luft auf. 

Zwar setzen sich ARD und ZDF derzeit für eine umfassende Berichterstattung ein und kündigen an, kritisch aus Katar zu berichten. Doch das geht eben nicht, wenn man dabei Gefahr läuft, vor Gericht zu landen. Gespräche mit Gastarbeiter*innen oder Bürger*innen sind daher schlicht unmöglich und persönliche Eindrücke der Reporter*innen vor Ort werden nicht ausreichen, um die problematische Lage in Katar darzustellen. Medienhäuser und Journalist*innen in ganz Deutschland müssen sich jetzt fragen, ob sie diesen Verrat an sich selbst und ihrer Berufsethik begehen wollen. Denn diese Einschränkungen gehen gegen alles, was sie vertreten.

Einen Artikel fünf gibt es eben nicht in Katar. Aber es gibt ihn in Deutschland. Redaktionen: Schützt eure Journalist*innen, damit sie berichten können, ohne verfolgt zu werden. Journalist*innen: Haltet zusammen und fordert Katars PR-Abteilung heraus. Sie kann schließlich nicht alles vertuschen, was im Land passiert und schon gar nicht die Verhaftung einer Masse an ausländischen Reporter*innen. Der Aufschrei wäre unüberhörbar. Versichert eine unabhängige und zensurfreie Berichterstattung aus Katar. Damit die Deutschen ihren Fußball bekommen und Deutschland sein Grundrecht verteidigen kann. Denn unpolitisch, wie es die Verbände immer wieder predigen, ist der Sport schon lange nicht mehr.