„Wir erschließen eine neue Zielgruppe für den Sport. Wir nehmen der Bundesliga nichts weg."
Per Torschuss ins Netz
Max drückt seine Finger fester zusammen, um das Zittern seiner Hände zu unterdrücken. Die robuste Tribüne, auf der er mit 119 anderen sitzt, bietet einen starken Kontrast zur Unruhe, die sich in seinem Körper ausbreitet. „Ich war selten so nervös wie an dem Tag. Ich wusste, wenn ich beim Draft Day nicht gepickt werde, also wenn mich keiner ins Team aufnimmt, stehe ich ohne jeglichen Vertrag da.“
Max Wißmann ist 20 Jahre alt, Content Creator, hat von klein auf ein Herz für Fußball und ist seit Juli 2024 in der Baller League als Torwart tätig.
Bei der Baller League handelt es sich um Hallenfußball: Sechs gegen sechs anstatt elf gegen elf, wie es bei prominenteren Turnieren wie der Bundesliga oder der UEFA-Champions League der Fall ist. Zwölf Teams treten auf einem 50x29 Meter großen Feld an elf Spieltagen bei einer Spielzeit von jeweils zweimal 15 Minuten gegeneinander an und sammeln Punkte. Die vier punktestärksten Teams treten nach der Ligaphase im „Final Four“, einer klassischen K.O.-Runde, erneut gegeneinander an.
Es gibt drei Sonderregeln: Pro Spieltag dürfen die Teams zwei Spieler nachnominieren, die Kader sind also flexibel. Außerdem wird die Zeit in beiden Hälften drei Minuten vor Schluss gestoppt. In der ersten Halbzeit greift ab dann der „Gamechanger": Ein Glücksrad entscheidet, welche neue Regel für den Rest der ersten Halbzeit gilt. Die Teams können zum Beispiel auf drei Spieler reduziert werden, nur noch ein Ballkontakt ist erlaubt oder ein Tor würde ausschließlich zählen, wenn es per Volley abgeschlossen wurde. Bei den letzten drei Minuten der zweiten Halbzeit handelt es sich dann um die „Galaxy Minutes”. Ein weiteres Glücksrad entscheidet, ob das Spiel beispielsweise auf ein Eins-gegen-Eins reduziert wird, das angreifende Team nach Übertreten der Mittellinie nicht mehr in die eigene Hälfte zurück darf, oder eine Shot Clock eingeführt wird. Letzteres würde heißen, dass innerhalb einer gewissen Zeit ein Torschuss erfolgen muss.
Schaut man sich die Teams für die kommende, vierte Saison an, stechen einem unter den Manager*innen sofort bekannte Namen ins Auge: Fußball-Persönlichkeiten wie Marco Reus und Lukas Podolski, aber auch Creator wie Knossi und MontanaBlack. Diese Prominenz diene laut Felix Starck, CEO der Baller League, unter anderem als „Brandbeschleuniger“ für die Liga. Nach eigenen Angaben im OMR-Podcast gebe die Baller League somit keinerlei Geld für Marketing aus und setze vielmehr auf die Reichweite der involvierten Promis.
Finanzierung und Messung des Erfolgs
Laut Starck habe die Liga in verschiedenen Märkten Verträge mit etwa Vodafone, Nivea, Citroen, Pepsi, Cupra und Nike.
Letzten Dezember gab die Liga außerdem eine externe Finanzierung durch diverse Investoren in Höhe von 25 Millionen US-Dollar bekannt. Dem vorhergegangen ist eine Finanzierung von acht Millionen US-Dollar durch sogenannte “Business Angels". Das sind vermögende Privatpersonen, die in junge Unternehmen investieren.
Als zentrale KPI („Key Performance Indicator”, also messbare Werte, die den Erfolg eines Unternehmens bewerten) erkennt Starck die Watch Time an. Ausgestrahlt werden die Spiele vor allem in Streams auf Twitch. So kann man entweder bei der Baller League selbst einschalten oder das Geschehen über die Streams von MontanaBlack, HandOfBlood und weiteren Manager*innen verfolgen. Auch auf Pro7, Maxx und Joyn werden die Spiele übertragen.
Bei diesen drei Plattformen erreichte die Baller League im März 2025 nach eigenen Angaben durchschnittlich 131.897 gleichzeitige Zuschauer*innen pro Spieltag. Der CEO schätzt, in zwei bis drei Jahren auf ähnliche Einschaltquoten wie der Profi-Fußball zu kommen. Zum Vergleich: Laut Sport Bild reichten die durchschnittlichen TV-Quoten in der Bundesliga-Saison 2024/25 je nach Klub von rund 175.700 bis hin zu etwa 889.470 Zuschauer*innen pro Spiel.
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Der Umgang mit der Konkurrenz
Die Zielgruppe der Baller League bestehe vor allem aus Männern zwischen 18 und 35 Jahren, sagt Starck. Laut Ergebnissen einer Untersuchung der Forschungsgruppe BEMA und des IfF aus dem Jahr 2016, war der durchschnittliche Stadionbesucher bei Fußballspielen 2016 männlich und 38,7 Jahre alt. Zumindest im Alter unterscheidet sich die Zielgruppe der Baller League also leicht von der der Bundesliga. „Wir erschließen eine neue Zielgruppe für den Sport. Wir nehmen der Bundesliga nichts weg,“ verspricht Starck im OMR-Podcast.
Bei potenziellen Konkurrenten um Reichweite und Werbepartner, richtet die Baller League den Blick eher auf andere Kleinfeldligen, hier vor allem auf die Icon League.
Die Icon League, ähnlich wie Baller League, ist von der spanischen Kings League inspiriert. Am 1. September 2024 startete sie nach ihrer Gründung durch Fußballer Toni Kroos und Elias Nerlich in ihre erste Saison. Die dritte startete am 28. September dieses Jahres. Es handelt sich um einen fünf-gegen-fünf Wettkampf mit kleinerem Spielfeld (45x22 Meter) und kürzerer Spieldauer (zweimal zwölf Minuten) als bei der Baller League. Die 14 Teams der Icon League treten an 13 Spieltagen gegeneinander an und sammeln Punkte. Der letztendliche Sieger der Saison wird in einem „Final Eight“, anstatt einem „Final Four“, wie es bei der Baller League der Fall ist, entschieden.
Bei den Manager*innen, den sogenannten „Team Heads", handelt es sich hier unter anderem um Musiker Ski Aggu, sowie Profi-Fußballer David Alaba, Franck Ribéry und Antonio Rüdiger.
Auch die Icon League setzt bei ihrem Kampf nach Reichweite vor allem auf die Prominenz der Beteiligten. Laut Starck gäbe es zwischen den Ligen vor allem Rivalität im Hinblick auf das Anwerben von prominenten Namen: „Es gab Leute bei uns dabei, die die Icon League wollte und es gab Leute in der Icon League, die wir wollten.“
Was die Einschaltquoten bei Twitch angeht, lag die Baller League nach Angaben von OMR vergangene Saison vor der Icon League. Sie verbuchte über 3,5 Millionen Aufrufe pro Spieltag auf Twitch, während es bei der Icon League 3,25 Millionen pro Spieltag waren.
„Ich glaube, jede Liga hat etwas Ausschlaggebendes. Und dieses Straßenfeeling und die Qualität vom Fußball ist nirgends so gut wie in der Baller League. Die meisten Leute sind in der Baller League, einfach nur um geilen Fußball zu spielen,“ erklärt Max.
Back to the Roots
Nervenkitzel, Stimmung, Excitement. Das reizt beim Fußball. Doch Starck ist der Meinung, der Fußball als Sport performe immer langweiliger und mache sich selbst kaputt, vor allem weil der Ballbesitz zu stark dominiere.
Also soll es jetzt heißen „Back to the Roots“. Ehemaliger Nationalspieler Marco Reus, welcher seit Anfang dieses Jahres als Manager des Clubs „Legacy Ballers“ in der Baller League tätig ist, erinnert sich im Podcast Cobi Club: „Wie viele von uns habe auch ich als Kind so mit Fußball angefangen: Auf einem kleinen Platz, hartem Untergrund und mit aufgeschürften Knien. Dieses Feeling von damals will die Baller League zurückbringen.“
Diese emotionale Verbundenheit zum Kleinfeldfußball verspürt auch Max. Er gilt als „Rising Baller“. Dieser Titel verspricht ihm 400 Euro Verdienst pro Spieltag. Als „Designated Baller“ läge dieser bei 600 Euro, als „Franchise Baller“ bei 800 Euro. Einen Vertrag als Franchise Baller hätte Max allerdings gar nicht angenommen, sagt er, denn dieser Titel werde den Spieler*innen zugewiesen, die für ein Spiel am entscheidendsten seien. „Ich hab Bock, Fußball zu spielen und das das reicht mir vollkommen,“ führt er weiter aus.
Expansion in andere Länder
Bock, Fußball zu spielen, haben wohl auch Leute in den USA und dem Vereinigten Königreich. Der 24. März 2025 zeichnet das erste Spiel in der Baller League UK mit YouTuber KSI als ernannten Präsidenten der Liga. Zu den bekanntesten Manager*innen zählen hier die englische Nationalspielerin Chloe Kelly sowie Schauspieler Idris Elba. Im Januar 2026 soll zur ersten Saison in den USA angestoßen werden, wo Streamer IShowSpeed die Position des Präsidenten einnimmt. Auch in den USA wurden große Namen gesichert, darunter Fußball-Ikone Ronaldinho und mehrfacher Olympia-Goldmedaillensieger Usain Bolt.
Doch trotz dieser Erfolge sieht Starck in der Zukunft der Baller League weniger eine Marktexpansion, sondern vielmehr eine Massenpartizipation. Geplant ist also weniger, Märkte global aufzubauen, sondern eher den Konsum der bereits bestehenden Märkte zu steigern.
Allgemein ist die Zukunft der Baller League als neues Unternehmen und frischer Trend noch ungewiss. Durch die Fusion von altbeliebtem, energiereichem Kleinfeldfußball mit neuen, aufregenden Regeln, macht sich die Baller League allerdings vor allem bei Gen Z beliebt. Behält die Baller League deren Treue bei, so könnte sie durchaus groß rauskommen.
Felix Starck sagt bei seinem Podcast-Besuch zusammenfassend folgendes: „Es ist um ein Vielfaches wahrscheinlicher, dass wir in fünf Jahren tot sind, als dass wir in 50 Jahren die große Innovation des Fußballs sind. Das sage ich jedem Investor, aber die sind anderer Überzeugung. Deswegen sind wir finanziell unterstützt bis zum Platzen.“
Zum Stichwort Zukunft hat Max folgendes zu sich selbst zu sagen:
Zittern müssen Max‘ Hände beim Start der vierten Saison im Januar 2026 zumindest nicht mehr. Sein Platz als Torwart bei „318 United“ ist ihm gesichert.