Speed-Dating mit Investoren: 

Der Alltag eines Deep-Tech-Start-ups

Lili Lubkowitz

Speed-Dating mit Investoren: 

Der Alltag eines Deep-Tech-Start-ups

Lili Lubkowitz

Ein Start-up aus Bayreuth arbeitet an einer Technologie, die Mikroplastik den Kampf ansagt. 

ZAITRUS

Ein Start-up aus Bayreuth arbeitet an einer Technologie, die Mikroplastik den Kampf ansagt. 

ZAITRUS

Bevor ihre Lösung die Welt erreicht, brauchen sie Investoren, starke Partner und Erfolg in der Start-up-Welt. Till und Werkstudent Yannick sind bereit.

Lili Lubkowitz

Bevor ihre Lösung die Welt erreicht, brauchen sie Investoren, starke Partner und Erfolg in der Start-up-Welt. Till und Werkstudent Yannick sind bereit.

Lili Lubkowitz

„7, 20 und Double Out mit 10, dann hast du gewonnen.“ Der rechte Fuß setzt sich auf einen abgewetzten Klebestreifen am Parkettboden. Kurzes Zielen, konzentrierter Blick – der Pfeil schnellt durch die Luft und trifft. Und wieder. Und nochmal. Ein Murren geht durch den Raum. Yannick grinst, zieht seine Darts aus der Scheibe und setzt mit einem Marker einen weiteren Strich neben seinen Namen auf dem Whiteboard. 25 Siege. „Das kann doch nicht sein“, ruft sein Chef Till lachend, während er sich auf seinen Schreibtischstuhl sinken lässt. 

Im Hintergrund rattert die Kaffeemaschine und der Duft von frisch gemahlenem Kaffee füllt den Raum. Es ist keine sterile Bürolandschaft, sondern eine Atmosphäre zwischen Wohnzimmer und Kreativlabor. Höhenverstellbare Schreibtische, riesige Monitore, ergonomische Stühle, Pflanzen und ein Esstisch, der auch als Tischtennisplatte dient. Eine offene Küche mit ein paar herrenlos herumstehenden Pfannen – fast wie in einer Studenten-WG. Eminem läuft leise im Hintergrund, während junge Mitarbeiter konzentriert auf ihre 27-Zoll-UHD-Monitore starren. Hin und wieder fallen Insiderwitze oder man wird zu einer Partie Tischtennis herausgefordert. So fühlt sich der Alltag bei „ZAITRUS“ an. Hier, in diesem Start-up-Büro, wächst eine Technologie heran, die eine weltweite Umweltkrise bekämpfen soll: Mikroplastik.

Mikroplastik sind winzige Kunststoffpartikel, die aus dem Zerfall größerer Plastikgegenstände entstehen und Umwelt- sowie Gesundheitsprobleme hervorrufen.

ZAITRUS

Mikroplastik sind winzige Kunststoffpartikel, die aus dem Zerfall größerer Plastikgegenstände entstehen und Umwelt- sowie Gesundheitsprobleme hervorrufen.

ZAITRUS

„Start-up“, das Wort löst Bilder aus: junge, unerfahrene Gründer, die mit einer vagen Idee die Welt retten wollen – oder wenigstens genug Fördergeld einsammeln, um sich einen Kicker und ein paar Kästen Bier zu finanzieren. Eine hippe Bürofläche mit bunten Sitzsäcken, kostenloser Club-Mate im Kühlschrank und einer lockeren Work-Life-Balance-Kultur. 
Die Realität sieht etwas anders aus. Eine geniale Idee allein reicht nicht – sie muss technisch umsetzbar, wirtschaftlich tragfähig und skalierbar sein. Es braucht Innovation und vor allem Durchhaltevermögen. Investoren interessieren sich nicht für Träumereien, sondern für Zahlen, Marktanalysen und handfeste Wachstumsstrategien, erklärt Till. 

Till ist 30 Jahre alt, studierter BWLer und hat im Bereich Blockchain promoviert. Er ist Co-Founder und CEO des Deep-Tech-Start-ups ZAITRUS.

Ein Deep-Tech-Start-up ist ein junges Unternehmen, das auf bahnbrechenden wissenschaftlichen oder technischen Innovationen basiert. Im Gegensatz zu klassischen Tech-Start-ups erfordern sie oft jahrelange Forschung und hohe Investitionen, da sie komplexe Technologien mit tiefgehender Forschung entwickeln. Sie zeichnen sich durch hohe technologische Hürden, einen großen Kapitalbedarf und das Potenzial aus, ganze Märkte langfristig zu verändern.

Wie viele andere junge Unternehmer*innen setzt Till mit ZAITRUS auf Innovation und wagt den Schritt in die schnell wachsende Start-up-Szene. Er habe früh gemerkt, dass er nicht in klassische Strukturen passe. Unternehmertum gibt ihm die Möglichkeit, seinen eigenen Weg zu gehen. Gründen ist ein Marathon, kein Sprint. Und er hat sich vorgenommen, bis zur Ziellinie durchzuhalten.

Frankfurt, 270 Kilometer entfernt

Ein Tag zuvor. 8:00 Uhr, es ist noch dämmrig in der Großstadt in Hessen. Die Hochhäuser von Frankfurt ragen in den nebligen Himmel. In einem Gebäude neben der Messe treffen sich heute Experten aus der Chemiebranche. Das European Chemistry Partnering Event – ein Schauplatz für große Namen, kluge Köpfe und Möglichkeiten zum Netzwerken. Bei der Anmeldung im Foyer erhält jeder Gast ein Lanyard geziert mit Namen, Unternehmen und Herkunftsland. Verstecken kann sich hier niemand.

455 Namen stehen auf der Teilnehmerliste. Fast jeder zweite Name trägt einen Doktortitel. Überwiegend Männer mittleren Alters wandeln durch die hellen Räumlichkeiten mit Fischgrätenparkett. Dunkle Anzüge, feste Händedrücke. Gespräche beginnen meist mit einem verhuschten Blick auf das Namensschild des Gegenübers. Mit förmlichem Nicken wird sich stumm zugestimmt, dass die Konversation läuft. Und dann – mittendrin – Till und Yannick.

Sie fallen auf. Nicht nur, weil sie zu den Jüngsten im Raum gehören. Sondern auch, weil sie anders auftreten. 

Shirt mit ZAITRUS-Logo statt Anzug. Ein Lächeln statt starrer Miene. Till sagt: „Partner finden, Sponsoren gewinnen, Netzwerke aufbauen – das ist das Ziel.“

Copyright by BCNP Consultants GmbH / Steffen Buchert

Shirt mit ZAITRUS-Logo statt Anzug. Ein Lächeln statt starrer Miene. Till sagt: „Partner finden, Sponsoren gewinnen, Netzwerke aufbauen – das ist das Ziel.“

Copyright by BCNP Consultants GmbH / Steffen Buchert

Elf Termine. Elf Gespräche mit möglichen Investoren, Partnern, Förderern. Immer nur 20 Minuten. Eine digitale Uhr zählt an der Wand gnadenlos herunter. „Es geht darum, in kürzester Zeit zu überzeugen“, erklärt Till. „Was machen wir? Wo wollen wir hin? Was brauchen wir? Wenn sich Interessen überschneiden – perfekt. Wenn nicht, bleibt wenigstens unser Name hängen.“

Till übernimmt das Networking. Yannick unterstützt. Der Werkstudent notiert Details, denkt mit und mischt sich ein, wenn nötig. „Meine zweite Gehirnzelle“, grinst Till und klopft ihm auf die Schulter. „Der Typ wird auch mal gründen, mark my words.“

Am Nachmittag ist es dann so weit: der Start-up-Pitch. Till und Yannick stehen inmitten der jungen Gründer*innen, die – genau wie sie – auf den Durchbruch hoffen. Der Raum, in dem die Präsentationen stattfinden, erinnert mehr an einen Hörsaal als an eine große Bühne. An den Rändern sitzen Teilnehmende, einige vertieft in Notizen, andere wirken angespannt. Ein junger Mann starrt auf seinen Laptop, murmelt vor sich hin. Sein rechtes Bein wippt nervös, als er sich die verschwitzten Hände am Oberschenkel abwischt. Unter seinem Jackett blitzt ein Festivalarmband hervor. 

Dann ist Till dran. Das Mikrofon in der Hand, den Blick auf das Publikum gerichtet. Er präsentiert mit der Überzeugung eines Gründers, der nicht nur an seine Idee glaubt, sondern sie bereits unzählige Male verteidigt hat. „ZAITRUS hat einen Sensor entwickelt, der Mikroplastik in Echtzeit erkennt und analysiert“, erklärt er mit fester Stimme. „Eine patentierte Technologie mit künstlicher Intelligenz, die Unternehmen hilft, Umweltverschmutzung gezielt zu bekämpfen.“ Jedes Argument sitzt. Er spricht nicht über Möglichkeiten – er spricht über eine Lösung. Im Publikum werden Notizen gemacht, einige Zuhörer*innen lehnen sich interessiert nach vorne. Nach nur zehn Minuten endet der Pitch. Applaus – nicht überschwänglich, aber anerkennend. Till verlässt die Bühne mit derselben Souveränität, mit der er sie betreten hat.

270 Kilometer zurück nach Bayreuth

Um 11:30 Uhr öffnet sich die Tür im Bayreuther Büro und Till tritt ein. „Moin Till, doch schon so früh da?“, ruft ein Kollege quer durch das Büro. Till winkt ab. „Bin seit sieben Uhr auf den Beinen und komme direkt aus Frankfurt – come on.“ Er streckt sich kurz, dann legt sich ein zufriedenes Lächeln auf sein Gesicht. „Aber gestern war richtig gut.“

Hier in Bayreuth begann alles. Die Idee für ZAITRUS entstand an der Universität Bayreuth, als die technischen Mitgründer in ihren Masterarbeiten eine neue Methode entdeckten, Mikroplastik in Wasser nachzuweisen.

2021 entwickelten sie den ersten Prototyp, 2022 folgte die Förderung durch das EXIST-Gründerstipendium. 2023 gewannen sie erste große Preise und schlossen erste Kooperationen, erzählt Till. Und jetzt? Jetzt sind sie ein Team aus 19 Leuten. Seit der Förderung durch die SPRIN-D, der Bundesagentur für Sprunginnovationen, kann ZAITRUS wachsen, forschen und weiterentwickeln. Ohne Investoren, nur mit staatlicher Unterstützung. Ein Meilenstein, den nicht jedes Start-up schafft.

Julius Keil, Projektmanager bei SPRIN-D und zuständiger Kooperationspartner für ZAITRUS, ist begeistert von der Idee des Start-ups. Er sieht großes Potenzial: „Es gibt kaum Inline-Detektionsmöglichkeiten für Mikroplastik, und genau hier setzt ZAITRUS an.“ Mit der Tochtergesellschaft der SPRIN-D, „Microbubbles“, hat ZAITRTUS so einen Kooperationspartner gefunden, der das junge Unternehmen nicht nur finanziell unterstützt, sondern mit ihnen gemeinsam Mikroplastik den Kampf ansagen will. Keil erwähnt, dass die EU momentan an gesetzlichen Regularien arbeitet, die Unternehmen zwingen könnten, Mikroplastik in Produktionsprozessen zu überwachen. „Wenn diese Gesetze verabschiedet werden und die Jungs von ZAITRUS es schaffen, die Technologie zu perfektionieren, sehe ich eine goldene Zukunft für ihr Unternehmen.“

Forschen, Meetings und Darts

Das Büro ist eine Mischung aus Hightech-Werkstatt und Co-Working-Space. 3D-Drucker, ein Sammelsurium aus verschiedensten Materialproben, Prototypen, ein Laborraum und eine kleine Werkstatt. Immer wieder wird die vermeidliche Stille von einem Lachen oder einer schnellen Rückfrage unterbrochen. 

„Darts? Tischtennis? Aktive Pause!“, sagt Till. „Bewegung hilft. Danach ist man fokussierter und kann more energized zurück an die Arbeit.“

ZAITRUS

„Darts? Tischtennis? Aktive Pause!“, sagt Till. „Bewegung hilft. Danach ist man fokussierter und kann more energized zurück an die Arbeit.“

ZAITRUS

Start-ups haben mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Unorganisiert, chaotisch, unrealistisch? Till schüttelt den Kopf. „Dynamisch“, nennt er es. Und die Klischees über Fördergelder? „Die Tischtennisplatte und die Dartscheibe haben wir privat bezahlt. Unser Geld fließt zu 100 Prozent in die Entwicklung.“

Ja. Start-ups sind ein Wagnis. Die meisten scheitern. Von zehn Start-ups bleibt eines langfristig bestehen. Und nur ein Bruchteil davon schafft den großen Durchbruch. Doch Till und sein Team glauben an ihre Mission. Mikroplastik ist ein globales Problem – und sie haben eine Lösung. Eine, die nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Unternehmen brauchen.

Ach ja, und warum der Name ZAITRUS?

Das „Z“ in ZAITRUS steht für elektrische Impedanz, eine physikalische Messgröße, die in der Mikroplastik-Detektion eine Rolle spielt. Das AI verweist auf Artificial Intelligence, also Künstliche Intelligenz, die in den Sensoren zum Einsatz kommt. Und TRUS? „Hört sich einfach cool an“, lacht Till.