Brieftauben

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Brieftauben wie diese werden hauptsächlich für Flugwettbewerbe gehalten und gezüchtet.
12. Dez. 2018

Wer braucht in Zeiten von WhatsApp, Instagram und Twitter noch Brieftauben? Wie funktioniert das Ganze und kann das Kulturerbe sein oder grenzt es schon an Tierquälerei? Ein Blick in die Welt der Brieftaubenzüchter. 

Jung, tätowiert und gepierct – seit 21 Jahren ist Sven Zimmermann mit Leib und Seele Brieftaubenzüchter. Mit gerade vier Jahren bekam er sein erstes Taubenpärchen geschenkt. In seiner Familie ist das nichts Besonderes, doch bei Fremden ist die Überraschung oft groß. Vor allem, weil er nicht aussieht wie der „typische Brieftaubenzüchter“ - Brieftaubenzucht sei ja eigentlich ein Opa-Hobby, so Sven. Viele haben Vorurteile gegenüber den „Ratten der Lüfte“: Doch er vergleicht seine Tiere mit Hochleistungssportlern. 

Ein aufwendiges Hobby

Jedes Jahr nimmt Sven an der Vereinsmeisterschaft teil, welche sich auf 14 Flüge an Wochenenden beläuft. Ob und wann geflogen wird, ist wetterabhängig: Nur bei strahlendem Sonnenschein werden die Tauben zum Wettkampf rausgelassen. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern flogen seine Tauben ihre bisher weiteste Strecke, von Barcelona zurück in ihre Heimat Bornheim.

Tauben können also nicht zu einem ihnen unbekannten Ort geschickt werden: Zu Anfang eines jeden Wettbewerbs gibt es eine Sammelstelle, wo die Tauben anhand ihres gechipten Rings am Fuß registriert werden. In einem speziell umgebauten Lastwagen werden sie anschließend zu einem bestimmten Ort gebracht, von wo aus sie wieder zurück zu ihrem Schlag fliegen.

Um zu den Besten zu gehören, muss viel Zeit investiert werden. Neben seinem Hauptberuf verbringt Sven täglich vier bis fünf Stunden im Taubenschlag. Zeit für andere Hobbys bleibt da nicht. Auch finanziell ist das nicht möglich, denn monatlich werden durchschnittlich 350 Euro für Tierarztbesuche, Vitamine und Vereinskosten fällig. Während seine Freunde die Nacht zum Tag machen, ist Sven bei seinen Tauben.

„Ein junger Türke mit Hauptschulabschluss, der Tauben züchtet, hättet ihr nicht gedacht!“

Ibrahim Sarikaya
Sein erstes Taubenpaar bekam Ibrahim bereits mit acht Jahren geschenkt.

Ebenso geht es Ibrahim Sarikaya. Seit fünf Jahren züchtet der 23-Jährige zusammen mit seinem Vater Tauben. Anders als Sven, lässt sein Beruf als Schichtarbeiter bei Daimler ihm keine Zeit, an Wettbewerben teilzunehmen. Er verdient mit seiner Zucht also kein Geld.

Als Junge zog er von der Türkei nach Deutschland und suchte gemeinsam mit seinem Vater nach einem geeigneten Ort, um die Taubenzucht weiterzuführen. Am Rande von Stuttgart fanden sie letztendlich ein Grundstück, das groß genug für die massiven Taubenschläge ist. Die Suche nach einer geeigneten Unterbringung gestaltet sich bei den meisten Züchtern als schwierig: Oft stellen sich Nachbarn quer – Grund ist der Lärm. 

Ibrahim und Sven sind Experten rund um das Thema Brieftauben, doch wie gut kennt ihr euch damit aus?

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„Eines meiner größten Ziele ist es, beim Million Dollar Race mitzumachen.“

Sven Zimmermann

Jährlich findet das Million Dollar Pigeon Race in Südafrika statt, 2019 wird Sven daran teilnehmen. Der Wettbewerb ist mit 6.000 Tauben eines der größten „Brieftaubenrennen" weltweit. Sie werden schon Monate im Voraus nach Südafrika geflogen und die ersten vier Wochen an ihre Taubenschläge gewöhnt. Danach trainiert sie ein professionelles Team. Zum Finale ist das Heimfindevermögen zum neuen Schlag so gut ausgeprägt, dass das Rennen starten kann.

Brieftaubenzucht heiß im Diskurs

Die Wettbewerbe ziehen viel Aufmerksamkeit auf sich, deshalb stellt sich in einer aktuellen Diskussion die Frage, ob Brieftaubenzucht zum immateriellen Kulturerbe ernannt werden soll. Der Deutsche Tierschutzverband möchte das verhindern, Züchter sind dafür. Viele Tauben sterben jährlich auf ihren Flügen, argumentieren die Tierschützer. Oft werden sie auf dem Weg nach Hause von Raubvögeln abgefangen, verenden an Strommasten oder verirren sich sogar. Sven hat dazu eine ganz klare Meinung: Tierschutz ist ihm wichtig. Er zwingt seine Tauben nicht zum Fliegen, das tun sie von allein. Ihnen werden beste Bedingungen geboten, wieder nach Hause zu finden. Natürliche und vom Menschen geschaffene Feinde sind allerdings auch ohne den Sport eine Gefahr.

Im Oktober wurde die Brieftaubenzucht in Nordrhein-Westfalen zum immateriellen Kulturerbe ernannt. Nun stellt sich die Frage, ob es auch bundesweit als solches anerkannt wird.

Eines der ältesten Kommunikationsmittel der Welt lebt also noch. Doch die Brieftaubenzüchter beschleicht eine Angst, irgendwann nicht mehr in dieser Größe zu existieren. Junge Züchter sind eine Rarität. Es wird immer schwieriger für die Vereine, Nachwuchs zu finden und kaum jemand beginnt das Hobby noch ohne, dass das familiäre Umfeld dazu leitet.