Eine Ode an die Stadtbahn

Nach einem stressigen Tag in die Stadtbahn zu steigen, ist fast so gut, wie zu Hause anzukommen. Die Stuttgarter Stadtbahn strahlt für mich Ruhe aus. Das entspannende Licht, die weichen Sitze und der szenische Ausblick lassen mich so fühlen, als wäre ich in einem Wohnzimmer auf Schienen.
Meistens nutze ich jedoch die S-Bahn – nicht aus Überzeugung, sondern weil sie die einzige Verbindung ist, die mich bis vor die Haustür bringt. Ich habe zwar schon seit etwa zwei Jahren meinen Führerschein, pendle aber dennoch jeden Tag gezwungenermaßen mit der Stress-Bahn hin zur Uni und wieder zurück. Eine Lösung wäre ein eigenes Auto, aber das klingt in der Theorie sehr viel besser als es in der Praxis ist. Problem Nummer eins sind die hohen Kosten durch Versicherung und Benzin, die ich als Studentin nur schwer stemmen könnte. Daraus resultiert Problem Nummer zwei: Seitdem ich meinen Führerschein im Juni 2023 bestanden habe, habe ich die Straße maximal zweimal direkt über ein Lenkrad hinweg betrachtet. Null Fahrpraxis also. Deshalb bin ich dazu verdammt, wertvolle Lebenszeit in Zügen, Stadtbahnen und Bussen zu verbringen. Ich sehe das als die Tragödie meines Lebens. Wir kennen es alle: Verspätungen, sodass die Umstiegszeit bei einer guten Minute liegt, Zugausfälle aufgrund von Personalmangel oder kurzfristig angekündigte Warnstreiks. Diese Probleme liegen ganz klar bei der Deutschen Bahn. Doch darum soll es heute nicht gehen.
Die Stuttgarter Stadtbahn als Hoffnungsträger
In meinem Leben gibt es einen Hoffnungsschimmer. Ein Licht am Ende des Tunnels. Die Stuttgarter Straßenbahnen AG. Die SSB verwaltet alle Stadtbahnen und Busse in Stuttgart. Sie ist dafür bekannt, pünktlich und zuverlässig zu sein. Im letzten Jahr lag die Pünktlichkeitsquote der SSB bei 93,2%. Ich sage immer: auf die Stadtbahn ist Verlass. Und auf die Stadtbahn ist wirklich Verlass.
Nach dem Ausstieg aus der überfüllten und verspäteten S-Bahn am Stuttgarter Hauptbahnhof, musste ich schon oft einen Sprint zur Stadtbahn zurücklegen. Die nächste Bahn kommt in einer Minute. Also renne ich die unzähligen Stufen hinauf, mein Körper schüttet Adrenalin aus und obwohl die nächste Bahn in spätestens zehn Minuten kommt, setzt sich ein Jagdinstinkt ein, „Ich muss diese Bahn schaffen“. Und meistens erwische ich sie dann auch und renne mit einer Schnappatmung durch die Türen, kurz bevor die Türfreigabeleuchte erlischt. Geschafft. Die Bahn schließt die Türen und fährt los. „Nächste Haltestelle: Budapester Platz“, ertönt es durch die Lautsprecher und in mir breitet sich eine Ruhe aus.
Die U12 von Remseck nach Dürrlewang und umgekehrt bietet eines der schönsten Panoramen Stuttgarts. Während der über 50 Minuten langen Strecke durchquert man verschiedenste Orte wie den Hauptbahnhof, Stuttgart-Nord, aber auch Stuttgart-Mühlhausen mit seinem szenischen Max-Eyth-See. Im Sommer zeigt sich die Landschaft von ihrer schönsten Seite: Bäume in voller Blätterpracht, die weite Wiese und der im Sonnenlicht funkelnde See. Durch die Fenster der Stadtbahn Menschen dabei zu beobachten, wie sie Ruhe an dem beschaulichen See finden, macht mir besonders Spaß. Auch ich nehme mir gerne eine Auszeit und setze mich mit einem guten Buch auf eine der Parkbänke und genieße meine Umgebung.
Bis ich mich also irgendwann wieder traue, mich hinter das Steuer eines Autos zu setzen, bleibt die Stuttgarter Stadtbahn mein bevorzugtes Fortbewegungsmittel. Nicht nur aufgrund der schönen Aussicht, sondern vor allem, weil sie mir einen Ort gibt, an dem ich nicht funktionieren muss, sondern einfach mitfahren darf. Manchmal fühlt sich die Stadtbahn tatsächlich wie ein Stück Zuhause an. Nur eben auf Gleisen.
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