Wie viel Identität darf Zukunft kosten?

Der 1. FFC Frankfurt ist Geschichte. Sowohl mit dem, was er erreicht hat, als auch auf dem Papier. Denn der Verein existiert heute nicht mehr. 22 Jahre alt wurde der siebenfache deutsche Meister. Seit Sommer 2020 tragen seine Spielerinnen offiziell das Schwarz, Weiß und Rot der Eintracht Frankfurt. Einige Fans empfanden den Zusammenschluss als Verlust ihrer Vereinsidentität. Der Name verschwand, das Logo und die Farben wurden ausgetauscht.
Von Seiten des Vereins heißt es, die Fusion sei ein wichtiger Schritt Richtung Professionalisierung gewesen. Und das ist auch wahr. Paul Schönwetter, Pressesprecher der Eintracht Frankfurt Frauen und zuvor beim 1. FFC Frankfurt, sagte im Interview, es sei ohne Zweifel die einzig mögliche Entscheidung gewesen, damit der Frauenfußball in Frankfurt noch lange professionell weiterleben könne.
Ein Blick auf die Rahmenbedingungen zeigt: Die Eintracht bietet professionalisierte Strukturen. Solche, die der 1. FFC Frankfurt als reiner Frauenfußballverein womöglich nie hätte stemmen können.
Ist Identitätsverlust der Preis des modernen Frauenfußballs?
In gewisser Weise: ja. Und das ist ein Preis, den man auch bereit sein muss zu zahlen.
Im Falle des 1. FFC Frankfurt hätte es den Verein ohne Fusion mit der Eintracht vermutlich auf lange Sicht nicht mehr gegeben. Der Verein war vor der Fusion bereits sportlich ins Mittelfeld der Liga abgerutscht und die großen Erfolge blieben aus. Die Konkurrenz – Männerlizenzvereine wie der FC Bayern München und der VfL Wolfsburg – hätten ihn vermutlich wirtschaftlich und sportlich überholt.
Was ist ein Männerlizenzverein?
Ein Männerlizenzverein ist ein Fußballverein, der eine Lizenz der Deutschen Fußball Liga (DFL) für den Spielbetrieb in der Bundesliga oder 2. Bundesliga der Männer besitzt. Diese DFL-Lizenz ist an die Erfüllung umfangreicher Kriterien gebunden, etwa in den Bereichen Finanzen oder Infrastruktur.
Seit der Saison 2023/24 verlangt die DFL von den Lizenzvereinen ein aktives Engagement im Frauen- oder Mädchenfußball. Die Vereine müssen eine Frauenmannschaft zu offiziellen Wettbewerben anmelden oder eine Kooperationsvereinbarung mit einem Fußballclub abschließen, der eine Frauenfußballabteilung unterhält.
Quelle: DFL-Statuten / DFL-Lizenzierungsordnung, § 3, Punkt 3
Die aktuell erschreckende Entwicklung des 1. FFC Turbine Potsdam zeigt, wohin die Reise gehen kann, wenn im Frauenfußball die Rückendeckung eines Männerlizenzvereins fehlt: ein Absturz ohne Fangnetz.
Der 1. FFC Turbine Potsdam steht ebenso für Tradition – für einen Verein, der über Jahrzehnte hinweg große Erfolge gefeiert hat. Doch als reiner Frauenfußballverein ohne solides finanzielles Fundament und stabile Strukturen ist auch dieser Traditionsklub ins Wanken geraten. 2023 der erste Abstieg aus der Bundesliga, 2024 der direkte Wiederaufstieg. Und 2025 gleich wieder runter. Ein ähnliches Schicksal hätte dem 1. FFC Frankfurt demnach auch blühen können.
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Eins ist klar: Die Professionalisierung des Frauenfußballs ist wichtig und unumgänglich. Dazu gehören auch Spiele vor größerem Publikum. Diese werden als „Highlight-Spiele“ betitelt und finden mehrmals pro Saison in den Männerstadien statt. Im Fall der Eintracht Frankfurt Frauen: ein Spiel vor großer Kulisse im Deutsche Bank Park – und die Chance, neue Zuschauergruppen zu gewinnen. Der Frauenfußball soll schließlich wachsen. Für alle. Spielerinnen, Fans und diejenigen, die es vielleicht noch werden könnten.

Doch genau diese Veränderungen sehen langjährige FFC-Fans kritisch. Sie positionieren sich öffentlich gegen Spiele im Stadion der Männer. Zu große Distanz, keine echte Stimmung. Mit 5.750 Zuschauer*innen ist das Stadion am Brentanobad, Heimstadion der Eintracht Frankfurt Frauen, ausverkauft. Im Deutsche Bank Park wäre eine solche Zahl an Zuschauenden jedoch eher ein Geisterspiel.
Laut des FFC-Fanclubs Nutria-Bande seien das keine Bedingungen für echte Heimspiele. "Heimspiele gibt’s nur zuhause und zuhause ist das Brentanobad!" heißt es von Emma, die den Verein seit vielen Jahren unterstützt. Aber auch die Mitglieder der Nutria-Bande empfinden Wachstum als wichtig, allerdings fehle es ihrer Meinung nach an Nachhaltigkeit. Diese entstehe nicht durch Einzel-Events, sondern durch Kontinuität und Nähe. Die Sichtweise der Fans ist aufgrund ihrer engen Verbundenheit zum Verein nachvollziehbar, sollte jedoch nicht dazu führen, dass man Fortschritt ausbremst.
Die Geschichte bleibt, trotz neuem Trikot
Bedeutete die Fusion vor fünf Jahren also das Ende der FFC-Identität? Nein, nicht ganz. Denn die Geschichte des 1. FFC Frankfurt bleibt einzigartig und wegweisend für den deutschen Frauenfußball. Was zählt, ist nicht das Logo, sondern die Geschichte, die weiterlebt.
Dennoch haben auch die Spielerinnen es verdient, vor großer Kulisse zu spielen. Selbst dann, wenn die Ränge noch nicht ausverkauft sind. Trotz der Wichtigkeit der Männerlizenzvereine: Der Frauenfußball muss eigene Geschichten schreiben. Dafür braucht es jedoch zunächst die nötigen Strukturen und die entsprechenden finanziellen Mittel.
Wer Professionalisierung will, muss auch Veränderungen akzeptieren. Das bedeutet nicht, die Vergangenheit zu vergessen, sondern sie mit der Zukunft zu verbinden.