Emanzipation

Stuttgarts Superwomen - Eine Ausstellung zu ihren Ehren

Die Ausstellung „Stadt voller Frauen“ zeigt Frauen, die ihrer Zeit voraus waren und den Weg der Emanzipation ebneten.
22. Mai 2023
Politik, Bildung, Wissenschaft und Kultur: Stuttgarter Frauen begeistern. Die Ausstellung „Stadt voller Frauen“ im FemPalais entführt multimedial in die Welt von neun Stuttgarterinnen, die in der Vergangenheit den Weg der Emanzipation geebnet haben. Eine Rezension.

Frauen revolutionieren – jetzt auch das Stuttgarter StadtPalais, das für sechs Monate zum FemPalais wird. Alle Ausstellungen in diesem Zeitraum sind ausschließlich von Frauen geplant, kuratiert und illustriert. Jeder Raum zeigt eine andere Perspektive und unterstreicht die Sichtbarkeit der weiblichen Bevölkerung. So auch die Ausstellung „Stadt voller Frauen“, die multimedial 200 Jahre regionale Frauengeschichte präsentiert.

In dem offenen Raum werden neun Stuttgarterinnen vorgestellt, die in der Vergangenheit die Emanzipation maßgeblich beeinflusst haben. Aufgeteilt nach Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Politik und Gewalt, reihen sich Clara Zetkin, Anna Blos, Mia Seeger und Elly Heuss-Knapp aneinander. Jeder dieser historischen Frauen ist eine sogenannte „Jetzt-Frau“, eine „Patin“, zugeordnet, die den entsprechenden Bereich in der Gegenwart beeinflusst. In der Selbstbestimmung spannt die Jetzt-Frau Kristina Hänel den Bogen von Else Kienle in die Gegenwart und erzählt, wie wichtig es ist, über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren. Damit zeigt das FemPalais, was sich verändert hat und was, trotz langjährigem Kampf, noch nicht.

Innovativ oder vorhersehbar?

Jeder historischen Frau ist ein großer Aufsteller gewidmet, der ihre Geschichte erzählt. Die entsprechenden Illustrationen sind von Sibel Balac gestaltet. Die Zeichnungen zeigen die Frauen in einer machtvollen, sehr präsenten Position und unterstreichen leicht comicartig die jeweiligen Themengebiete. Die entsprechende Jetzt-Frau wird über ein Zoom-Interview repräsentiert. Dies holt zwar eine weitere mediale Ebene ins Boot, aber das Interview kann auch immer nur eine Person gleichzeitig anhören. Zudem sind die interessanten und relevanten Interviews teilweise zu lang, als dass man sich jedes vollständig anhören könnte.

„Schatz, wir müssen reden“ ist die Aufschrift von einem Ballon in der Mitte des Raumes. Darunter ein Kreis aus fünf Tischen, auf denen persönliche, aber auch politische Fragen gestellt werden, die die Besucher*innen durch das Aufkleben von Stickern beantworten können. Diese partizipative Station bringt Leben in den Raum. Man kommt nicht nur mit der Person, mit der man die Ausstellung besucht, ins Gespräch. Ich konnte auch beobachten, wie Fremde anfingen, über Gleichberechtigung zu fachsimpeln. Es entsteht eine „soziale Skulptur“, wie es Elena Kaifel, Leiterin von Marketing und Kommunikation im StadtPalais, beschreibt.

Margarete von Wrangell und Carola Rosenberg-Blume leisteten revolutionäre Arbeit in den Bereichen Studium und Bildung.
„Bist du für eine verpflichtende Elternzeit für Väter?“ ist nur eine der fünf Fragen, zu denen man an den Tischen Stellung beziehen kann.
Frauengeschichte wurde lange in Magazinen geschrieben. Die zusätzlichen Einlagen in der Ausstellung geben den typischen Frauenmagazinen eine tiefere Bedeutung.
Anna Blos ist 1919 die erste Abgeordnete von Württemberg und wegweisend für die Mitbestimmung von Frauen.

Spätestens jetzt müsste allen das Farbkonzept ins Auge gesprungen sein. Eine Ausstellung über Frauen in den Farben rot, rosa und orange? Meine Gedanken schwanken dazwischen, diese Idee als Geniestreich der Ironie zu verstehen oder aber auf verinnerlichten Sexismus zu setzen. Doch wie ich erfahre, ist die Erklärung einfacher als gedacht. Die Ausstellung sollte farbexpressiv, lebendig und warm werden und das deckt sich mit diesen stereotypisch weiblichen Farben. „Wir wollten uns nicht davon abhalten lassen, die Farbe Pink zu verwenden, nur weil sie vermeintlich stereotypisch ist“, betont Kaifel und stellt dabei ein wünschenswertes, jedoch leider noch unrealistisches Szenario auf, in welchem Farben nicht mehr klischeehaft betrachtet werden.

Besser als Google!

Von verständlichen und gut portionierten Texten und Videos über Bilder und Illustrationen bis hin zu der partizipativen Station gelingt die Ausstellung multimedial auf vielen Ebenen. Damit bietet sie in ihrer Komposition einen klaren Mehrwert zu einer Google-Recherche mit dem Stichwort „Emanzipation in Stuttgart“. Ein Besuch lohnt sich. Denn auch wenn das Thema allein vielleicht schon als Erfolgsfaktor gewertet werden kann, so „kommt es auch immer darauf an, wie man eine Geschichte erzählt“, sagt Kaifel. Und „Stadt voller Frauen“ erzählt die Geschichten von historischen und Jetzt-Frauen so, dass ich mich bei ihnen bedanken möchte, auch meinen Weg als Frau geebnet zu haben.