I love Sushi, aber...

„Mach keinen Sushiladen“

11. Juli 2018

Yeah baby, i like it raw – so lautet der bekannte Slogan, der in großen Buchstaben über „I love Sushi“ in der Rosenbergstraße prangt. Wie der hippe Sushiladen eigentlich entstanden ist und mit welchen Problemen dieser heute zu kämpfen hat, erzählt uns Inhaberin und Geschäftsführerin Karin Büttner im Interview.

Nach dem Abi ist sie erstmal planlos nach Berlin und hatte Jobs wie „Puppentrickproduktionshilfe“ oder Kameraassistenz bei Filmproduktionen für RTL und ZDF. Sie war im Videoschnitt bei „Im Namen des Gesetzes“ und „Küstenwache“ und hat Konzerte für Peter Fox, die Ärzte oder FaceNoMore organisiert. Und jetzt? Jetzt hat Karin seit 2009 gemeinsam mit ihrem Bruder Stephan (der von ihr liebevoll Stoff genannt wird) einen eigenen Sushiladen, der mittlerweile so beliebt ist, dass ihn eigentlich ganz Stuttgart kennt.

Seid ihr eines morgens aufgewacht und habt gedacht: „Lass uns einen Sushiladen aufmachen“, oder wie war das?

So ähnlich. Stoff war bei mir in Berlin zu Besuch und hat sich zweimal am Tag Sushi bestellt – einfach nur weil’s ging. Dann saßen wir eines Abends im Garten und haben mal wieder Sushi gegessen und gedacht: Das fehlt hier in Stuttgart. Es gibt keinen einzigen Sushi-Lieferservice. Es gibt auch eigentlich keine Bar, die ’ne geile Qualität abliefert und dann auch noch irgendwie bezahlbar ist. Und dann saßen wir da eben und haben gesagt: Okay. Wenn wir das schaffen, einen Koch zu finden, der richtig geil ist – nicht einfach nur ’n Koch, sondern der muss geil sein – dann machen wir das! Und dann haben wir einfach kurzer Hand bei der deutsch-japanischen Zeitung ’ne Anzeige aufgegeben: „Sushikoch gesucht“. Und dann haben sich tatsächlich Menschen beworben. Wir haben Köche in Stoffs Jungs-WG eingeladen und Hiroki kennen gelernt. Den mochten wir total gerne, der hat eh schon in Stuttgart gewohnt und den haben wir dann eingestellt.

Aber zu dem Zeitpunkt hattet ihr noch keinen Laden, richtig?

Ne. Wir hatten dann den Koch und haben gedacht: Da gibt’s diesen einen Laden in der Rosenbergstraße, den finden wir mega geil – haben den Makler angerufen, uns da vorgestellt und uns den Laden angeguckt. Stoff ist dann selbstbewusst mit dem Makler zum Vermieter, hat erzählt was wir machen wollen und einen Tag später haben wir dann den Vertrag zugeschickt bekommen.

Und dann?

Meine Mutter hatte relativ zeitgleich so ein Mietshaus verkauft und den Erlös unter uns Kindern aufgeteilt. Das waren dann so 80.000 Euro, die Stoff und ich zur Verfügung hatten. Daraus ist dann der Sushiladen entstanden. Wir haben einfach alles, was wir gebraucht haben, irgendwie reingebaut. Insgesamt haben wir später noch drei Mal umgebaut, weil wir natürlich null Erfahrung hatten.

"Wir hatten keinerlei Ahnung von Gastro. Wir haben einfach nur gerne Sushi gegessen."

Karin Büttner

Im Mai 2009 war das, wie wir da in dem Garten saßen und fünf Monate später hatten wir auch schon das Opening.

Mit wievielen Mitarbeitern hast du damals angefangen?

Angefangen haben wir vielleicht zu zehnt, darunter zwei Sushiköche. Das Ganze ist ziemlich schnell gewachsen. Heute haben wir sechs Köche, zwei bis drei Mitarbeiter in der Telefonleitung, Aushilfen, die Service machen und Lieferungen ausfahren, und und und. Alles in allem sind wir mittlerweile um die 30 Leute.

Ist es schwierig, Sushiköche zu finden?

Super schwierig. Und es wird immer problematischer, weil Sushi halt mittlerweile überall angekommen ist. Der Trend ist einfach da und in jedem kleinen Kaff gibt’s ’n Sushiladen. Du musst als Sushikoch auch ’ne starke Sorgfalt haben. Das ist nicht einfach nur ’nen Teig, den du irgendwie zusammenkloppst.

Hast du schon mal überlegt, weitere Läden aufzumachen?

Zwischendurch hatten wir mal den Plan, noch ’nen Laden in Ludwigsburg aufzumachen. Hatten ’nen Koch aus Japan engagiert und ’nen Laden gekauft. Haben den ein Jahr lang ausgebaut, ’nen Logo drauf geschraubt und dann hat unser Koch sein Küchenmesser eingepackt und ist zurück nach Japan geflogen, weil wir den mit unserem Küchenchef zusammengesteckt haben und der Japaner meinte: „Ich hab acht Jahre lang was ganz anderes gelernt. Das mach ich nicht“. Es musste halt so schmecken wie in Stuttgart, weil die Marke drauf steht. Der Küchenchef kam zwar ursprünglich auch aus Japan, weiß aber auch was europäische Gaumen gerne mögen. Na ja und dann standen wir da mit nem schlüsselfertigen Laden … und kein Koch.

Was habt ihr dann gemacht?

Was wir eigentlich nie machen wollten. Wir sind in andere Städte gefahren und haben versucht, ’nen Koch abzuwerben. Und dabei haben wir nur nette Sushiladenbesitzer kennen gelernt, die alle das selbe Problem hatten: Keine Köche. Dann haben wir eine Konzeptänderung versucht und kleine, asiatische Gerichte angeboten, die sich „Dim Sum“ nennen. Das waren so kleine Tellerchen wie Oktopus auf Süßkartoffelstampf oder Jakobsmuschel auf Urkarotte. Der Pro-Kopf-Umsatz war so bei 25 Euro angesiedelt. Das war also auf jeden Fall kein Standard-Mittagessen, aber es war halt auch richtig geiler Scheiß. Das haben die Leute aber nicht gerafft. Alle fanden es nur unheimlich teuer. Nach 13 Monaten hab ich’s dann zugemacht.

Aber wenigstens lief euer Sushiladen in Stuttgart, richtig?

Ja. Wobei wir nie viel Gewinn gemacht haben. Wir haben immer so superlustige Marketingaktionen gemacht, die am Ende nichts gebracht haben. Außer Spaß.

Zum Beispiel?

Ach wie zum Beispiel … wir haben Luftballons und Flyer bedrucken lassen und ’ne Kooperation mit ’nem Shop am Schlossplatz gemacht. Du konntest dir in dem Shop dein Sushi bestellen, hast ’nen Luftballon bekommen, dich auf den Schlossplatz gesetzt und wir haben das Sushi zu dem Luftballon geliefert. Das Ding ist … rat mal, wie oft wir geliefert haben in drei Monaten. (lacht) Alle fanden’s geil, alle ham’s geliked auf Facebook! Jetzt rate, wie oft wir geliefert haben. Ein Mal. Alle fanden’s mega geil, alle haben’s hart gefeiert, aber keiner hat mitgemacht. Vor zwei Jahren habe ich dann den monatlichen Bericht von unserem Betriebsleiter bekommen und gedacht: Oh, das mit den Zahlen ist ’n bisschen komisch. Und dann hab ich gemerkt: Okay, vielleicht liegt’s daran, dass es jetzt Foodora in Stuttgart gibt. Das war dann halt richtig krass. Dadurch waren wir plötzlich nicht mehr die Einzigen, die was besseres als Pizza auf die Couch geliefert haben und jeder Sushiladen konnte liefern. Das hat ’nen ganz großen Unterschied gemacht. Daraufhin hab ich dann angefangen nochmal alles umzukrempeln, das ganze Marketing neu aufzusetzen und dem ganzen Ding ’nen Facelift zu verpassen.

Seit einigen Wochen kann man bei euch nun auch online bestellen – Warum erst jetzt?

Ich wollte das nie. Ich wollte das nie haben. Ich mochte den persönlichen Kontakt. Die Leute waren gezwungen anzurufen. Und wenn ich gemerkt habe, die sind schlecht drauf, dann hab ich ihnen meistens zu ihrem Essen auch noch gute Laune verpasst. Aber das haben wir jetzt geändert. Weil’s halt einfach zeitgemäß ist und weil ich mehr Geld generieren muss.

Wegen Foodora?

Auch. Mittlerweile ist es aber auch einfach so, dass Köche mit 500 Euro netto mehr im Monat in andere Städte abgeworben werden. Wenn du wirklich gute Köche hast, dann werden die abgezogen. Und da kann ich gar nicht mehr mithalten, weil es nie ums Geld ging. Der Idealismus und der Spaß an der Sache wurden immer hochgehalten. Aber das reicht jetzt nicht mehr. Deswegen muss ich mehr Geld generieren, deswegen haben wir jetzt auch ’ne Preiserhöhung gemacht und deswegen auch die Online-Geschichte.

Wenn jetzt jemand das Interview liest und sagt: „Selbstständig sein – das will ich auch.“ Was wären deine Tipps?

Mach keinen Sushiladen. (lacht) Mach auf jeden Fall etwas, was du auch jederzeit selbst stemmen kannst, wenn mal alle Stricke reißen sollten. Mach dich nicht abhängig von anderen Leuten, sondern sei in der Lage, alles selbst tun zu können. Wenigstens im Ansatz.

Das heißt, du könntest dein Sushi im Worst Case nicht selbst zubereiten?

Ne. Das ist das nämlich das Problem. Deshalb würde ich wahrscheinlich wirklich nicht nochmal ’nen Sushiladen machen. Bereuen tue ich’s nicht. Aber nochmal tun würd‘ ich´s auch nicht.

Weil du abhängig von deinen Köchen bist?

Ja. Und weil du erpressbar bist, wenn du’s selbst nicht kannst. Und weil dir die Hände gebunden sind. Die aktuelle Situation ist, dass ein Mitarbeiter gegangen ist und wir jetzt einen Monat lang etwa ein bis drei Personen zu wenig in der Küche sind. Ich sehe eben, dass zwei Leute sich ultra krass abrackern und ich nichts dagegen tun kann. Nichts. Die müssen, ansonsten kann ich den Laden zu machen. Und die sind aber so loyal und die stehen so zu dem Laden, dass die sagen, die machen das. Aber ich finde es einfach ganz furchtbar, dass ich denen das zumuten muss.

Also, wenn du einen Shoutout machen könntest, wäre das…?

Sushiköche zu mir!