Jugendherbergen — Gemeinschaft in der Fremde

Mehr als nur Betten und Brötchen

Die Jugendherberge Stuttgart International
31. Jan. 2018

 

Jugendherbergen lassen uns an die Kindheit zurückdenken. In Großstädten schaffen die billigen Bleiben außerdem Gemeinschaft unter Menschen aus aller Herren Ländern. Welches riesige Netz hinter den Unterkünften steckt und ob diese heutzutage überhaupt noch angesagt sind, erfahrt ihr hier.

 

Auf der Uhlandshöhe, hoch über den Dächern von Stuttgart, thront die Jugendherberge Stuttgart International. Zum Eingang gelangt man nur über einen gläsernen Aufzug.
Einen Stock tiefer findet man sich vor der Rezeption wieder, hinter der sich ein langer Eingangsbereich befindet. So weit das Auge reicht, hängen bunte Flaggen. 

Der Name der Jugendherberge, International, wird bewusst in Szene gesetzt.

Die meisten Gäste seien immer noch Schulklassen, sagt Helge Dörr, stellvertretender Leiter der Jugendherberge. Was sich jedoch am meisten verändert habe, sei das Verhalten der Lehrer. Früher hätten die Lehrer ihr Programm vollkommen selbst geplant, heute sei dies eher selten der Fall. 


So bietet die Jugendherberge mittlerweile zwei verschiedene Programmpakete an. Variante eins: Das „All-inclusive-sorglos-Paket“. Dabei wird von der Jugendherberge ein komplettes Tagesprogramm zusammengestellt. Ein Musicalbesuch sei dabei fast immer enthalten, so Dörr.  Als Variante zwei  bietet die Herberge ein Paket mit Bausteinsystem an. Bei dieser Variante kann der Betreuer das Programm selbst zusammenstellen.

Beide Varianten würden gleichermaßen genutzt , sagt Dörr. Ein Muss bei fast alles Gästen sei das Mercedes-Benz-Museum. „Vor allem unsere asiatischen Gäste buchen meist nur eine Nacht und versuchen dann, sowohl das Porsche- als auch das Mercedes-Benz-Museum zu besuchen“, sagt der Leiter. Doch auch an der Weißenhofsiedlung seien diese Besucher sehr interessiert, anders als die inländischen Urlauber. Für die meisten hier spielt der billige Zimmerpreis nur eine geringe Rolle, meint Dörr. Viel eher würden die Gäste das Gemeinschaftsgefühl und die Offenheit schätzen, die sie hier erwartet.

Für das leibliche Wohl ist gesorgt.
Das Bistro lockt mit internationalem Flair.
Auch Stuttgart kommt nicht zu kurz.

Die Tagungsräume der Herberge sind, wie viele Plätze im Haus, nach den Partnerstädten von Stuttgart benannt. So hängt vor jeder Tür ein Schild mit dem Namen und ein Gefäß mit ein bisschen Erde aus der jeweiligen Stadt, Gastgeschenke.

Diese Räume werden auch für andere Zwecke genutzt. Unlängst fand dort zum zweiten Mal ein Seminar der Jungen Liberalen statt. In diesen Tagen würde in der Herberge besonders viel Chardonnay fließen und die Abende hinter der Bar würden lang, erzählt Dörr, der dann auch gerne mal eine Schicht übernimmt. Was die Gäste selbst von der Herberge halten, hört ihr hier:

 

 

Die ursprüngliche Idee der Jugendherberge?

Jugendherbergen entstanden in den 20er Jahren, im Zuge der Jugendbewegung und dem Konzept der Reformpädagogik. Die Idee dazu hatte 1909 der ostpreußische Volksschullehrer Richard Schirrmann. Sein Ziel war es, günstige Unterkünfte für die deutsche Jugend einzurichten und ihnen so das Wandern zu ermöglichen. 1911 errichtete er die erste Jugendherberge provisorisch in seiner Schule und das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) entstand. In kürzester Zeit eröffneten 17 weitere Herbergen, 1921 waren es schon 1.300. Vom Aufbau waren sie immer gleich, große Schlafsäle und nebenan ein paar wenige kleinere Zimmer für die Betreuer . 

Das DJH ist auch heute noch ein gemeinnütziger, eingetragener Verein und Träger von circa 500 Herbergen in Deutschland. Er ist das größte Mitglied des internationalen Jugendherbergsverbandes Hostelling International, zu dem auch der Österreichische Jugendherbergsverband, das Österreichische Jugendherbergswerk sowie der Verein Schweizer Jugendherbergen gehören. Der Verband ist mit über vier Millionen Mitgliedern eine der größten Jugendorganisationen der Welt.

Laut Knut Dinter, dem Zuständigen für die Öffentlichkeitsarbeit des DJH, bieten die Einrichtungen mehr als nur Betten und Brötchen. „Das Gemeinschaftserlebnis und die persönlichen Begegnungen machen das Besondere einer Jugendherberge aus.“ Auch seien nach wie vor Schulklassen und Jugendgruppen die größte Gästegruppe in den Jugendherbergen, aber auch Familien mit Kindern und Einzelreisende würden die lockere Atmosphäre in den Herbergen genießen. „Voraussetzung für die Übernachtung in Jugendherbergen ist die Mitgliedschaft in einem nationalen Jugendherbergsverband.

„Das Gemeinschaftserlebnis und die persönlichen Begegnungen machen das Besondere einer Jugendherberge aus.“

Knut Dinter, Deutsches Jugendherbergswerk

Der Mitgliedsbeitrag im DJH beträgt für Jugendliche bis 26 Jahre sieben Euro pro Jahr und für ältere Personen und die gesamte Familie 22,50 Euro pro Jahr. Darüber hinaus hat die DJH-Mitgliedschaft noch weitere Vorteile: „In den Jugendherbergen gibt es oft Vergünstigungen für diverse Eintrittskarten und öffentliche Verkehrsmittel“, so Dinter. Auch die Zahlen steigen tendenziell. Das DHJ hat im Jahr 2016 mehr als zehn Millionen Übernachtungen registriert.

Jugendherbergen sind also nicht nur eine Erinnerung an frührere Zeiten. Vielmehr sind sie, dank immer attraktiveren Angeboten, immer noch im Trend.