Freundschaften 4 Minuten

How to find friends (online) fast

Eine Hand hält ein Handy darauf zu sehen ist ein Chat namens Stuttgart Friends, im Hintergrund sieht man Menschen in einer Bar
Wer Teil von stuttgart.friends werden möchte, wird zum internen Chat hinzugefügt. Dort finden sich alle Informationen zu den bevorstehenden Treffen. | Quelle: Marie Kraft
17. Mai 2024

Neue Freund*innen finden, kann schwer sein. Das weiß auch Virginia, die 2020 nach Deutschland kam. Sie beschließt eine Gruppe für Frauen zu gründen, die auf der Suche nach Kontakten sind. Mit „stuttgart.friends“ organisiert sie über Social Media regelmäßig Events zum Connecten.

Zu sehen ist eine Frau mit dunklen langen Haaren die an einem Tisch sitzt und in die Kamera lächelt
Virginia ist 25 Jahre alt und hat Psychologie studiert. Als sie 2020 allein nach Deutschland kam, kannte sie niemanden. Mit stuttgart.friends hat sich das geändert.
Quelle: Marie Kraft

Virginia, du bist häufig in deinem Leben umgezogen. Bist du oft einsam?

Ich bin in einer Militärfamilie aus North Carolina aufgewachsen, ich musste mich daran gewöhnen immer wieder von Neuem zu starten. An der Uni war das einfach. Da hat man schließlich seine Klassen und kann dort die Menschen näher kennenlernen. Als ich im April 2020 nach Stuttgart kam, sah das anders aus. Es war Corona und ich kannte erstmal keine einzige Seele hier. 

Wie hast du Kontakte geknüpft? 

Ich habe von Bumble Friends gehört und mich dort angemeldet. Mein erstes Freundschaftsdate war dann im Oktober. Ich kann mich noch erinnern, wie unglaublich nervös ich war. Aber ich bin bis heute mit der Person befreundet.

Bumble Friends scheint für dich funktioniert zu haben. Warum hast du stuttgart.friends ins Leben gerufen? 

Bumble ist ein guter Ausgangspunkt um sich für neue Menschen zu öffnen. Aber es ist schwer so viele einzelne Gespräche aufrechtzuerhalten und 1:1-Treffen zu planen. Also war der Gedanke da, lieber gleich Treffen mit mehreren Leuten zu organisieren. Eine Art offenen Freundeskreis zu gründen.

Wie kam es dazu?

Im April 2022 habe ich ein TikTok gesehen, in dem eine Frau eine Gruppe für junge Leute gegründet hat, die nach Freunden suchen. Ich dachte, ich sollte das Gleiche tun. Also habe ich stuttgart.friends gegründet. Anfangs habe ich über einen Whatsapp-Chat offene Picknicks organisiert. Beim ersten Treffen waren wir nur zu dritt, über den Sommer kamen immer mehr Frauen dazu. Heute sind wir knapp 300 Mitglieder und organisieren verschiedenste Events. Wir nutzen mittlerweile Instagram und die App Geneva als internen Chat. 

Wie laufen eure Treffen ab? 

Wir treffen uns drei- bis viermal im Monat. Das kann alles sein, ein Bar-Abend, Kreativworkshops, Ausflüge innerhalb Stuttgarts – seit Kurzem kooperieren wir auch mit verschiedenen Läden hier. Letztens waren wir abends in einem Secondhand-Store mit Drinks zum Shoppen. Mir ist es wichtig, dass es ein unkompliziertes Angebot ist, bei dem man einfach dazukommen kann, wie und wann man Lust hat.

Wer kommt zu den Treffen?

Alle sind zwischen 19 und 29 Jahre alt. Viele Student*innen, viele Austauschstudent*innen. Wir sind eine recht internationale Gruppe. Zwar redet die Hälfte von uns Deutsch, aber aktuell gibt es noch 25 weitere Sprachen. Bei unseren Events wird meist ins Deutsche oder Englische gewechselt. Cool finde ich auch, dass viele teilnehmen, die aus Stuttgart kommen.

Studien zeigen, dass sich vor allem junge Erwachsene in Städten vermehrt einsam fühlen. Wie siehst du das?

Ich denke, es ist Teil des Erwachsenwerdens, dass Freunde wegziehen oder du in einer neuen Stadt bist. Es ist definitiv Arbeit, neue Kontakte zu knüpfen. Da spielt auch viel soziale Angst mit. Wichtig ist, dass man sich aufrappelt und es versucht. Du kannst nicht erwarten, Freunde zu finden, wenn du nichts unternimmst. Deshalb bewundere ich jeden, der zu einem Treffen kommt. Es ist mutig, auf eine Gruppe zuzugehen und sich vorzustellen.

Du kannst nicht erwarten, Freunde zu finden, wenn du nichts unternimmst.

Virginia Phillips
zu sehen ist eine Gruppe von junger Frauen in einer Bar die sich unterhalten und lachen
Das geplante Picknick zum zweiten Geburtstag von stuttgart.friends musste wegen schlechten Wetters spontan abgesagt werden. Zum Alternativprogramm am Abend kamen trotzdem einige Teilnehmerinnen.
Quelle: Marie Kraft

Vielleicht liegt es auch an den Stuttgarter*innen? 

Um ehrlich zu sein: Ich denke, es ist ein deutsches Ding. In den Staaten sind Bars ein Ort der Sozialisierung. Hier jedoch wird es oft als unhöflich empfunden, wenn man Fremde in Bars anquatscht. Das ist einfach eine andere Kultur – aber es macht die Sache nicht einfacher. Vielleicht sollte man hier öfter offener sein.

Auf Instagram findet man viele Videos und Bilder von euren letzten Events. Wie wichtig ist die Präsenz auf Social Media?

Scrollen wir nicht alle durch Social Media und sehen diese Videos von Freundesgruppen, die was Schönes erleben und denken dann, dass man selbst so etwas nicht hat? Ich habe es selbst erlebt, dass man sich dadurch einsam fühlen kann. Deshalb möchten wir unsere Gesichter bei stuttgart.friends zeigen. Ich schätze, das ist das, was andere anzieht. So kann man sich besser vorstellen, selbst dabei zu sein.

Ich würde es feiern, eine ähnliche Gruppe nur für Männer zu sehen.

Virginia Phillips

Bei stuttgart.friends werden explizit auch queere Menschen eingeladen. Welchen Stellenwert nehmen LGBTQIA+ Themen ein?

Wir wollen auf jeden Fall ein Safe Space sein, aber eben für alle Teilnehmer*innen. Ich kann nicht sagen, wie viele sich als queer bezeichnen würden, das tut auch nichts zur Sache. Es gibt eine Untergruppe in der App, in der sich Interessierte zu LGBTQIA+ Themen austauschen. Wichtig ist, dass wir alle miteinander respektvoll umgehen.

Äußern manche Kritik, dass keine Cis-Männer kommen dürfen?

Am Anfang war die Gruppe offen für alle. Dann gab es leider ein paar Missverständnisse, dass stuttgart.friends nicht für Dating ausgelegt ist. Also haben wir die Gruppe begrenzt, um den Fokus auf das Freundschaften schließen zu behalten. Männer oder Partner mitzubringen, kann zu schwierigen Situationen führen. Manche fühlen sich einfach nicht so wohl damit.

Ein anderes Thema ist Kritik von außen. Auf ähnlichen Insta-Seiten wie die von „Munich Girls Talking & Walking“, einer reinen Spaziergruppe für Frauen, kommentieren regelmäßig Männer und beschweren sich. Gegenfrage: Warum machst du nicht einfach deine eigene Gruppe auf? Ich würde es feiern, eine ähnliche Gruppe nur für Männer zu sehen. Aber warum ist es unsere Verantwortung, einen Raum für sie zu schaffen?

*Hinweis: Das Interview wurde auf Englisch geführt und im Nachhinein übersetzt.