Instrumentenbauer

„Vom ersten Tag an war das mein Ding“

Norbert Zabolitzki ist Instrumentenbauer in Seligenstadt
11. Juli 2018

Norbert Zabolitzki lebt den Traum: In der Jugend das Hobby zum Beruf machen. Aktiv war er in vielen Bands, heute repariert und verkauft er Flöten, Klarinetten und Saxophone in Seligenstadt. Sein Beruf Instrumentenbauer ist eine seltene Wahl: Momentan gibt es im gesamten Rhein-Main-Gebiet gerade mal zwei Auszubildende, schätzt er.

Als Kind kaufte ich mein Instrument bei ihm und war von dem Mann und seinem Laden „Zabos Werkstatt“ fasziniert. Von außen ein kleines, unscheinbares Haus – drinnen das Paradies für jeden Musiker. Instrumentenkoffer stapeln sich an der einen Wand, unzählige Musikhefte an der anderen. Durch eine Tür lässt sich die Werkstatt erahnen. Heute, gut zehn Jahre später, stehe ich wieder davor und alles sieht aus wie früher. Ich betrete den Laden und sehe „Zabo“ an seinem Tresen sitzen. Auch er sieht aus wie früher, Brille auf der Nasenspitze, kleine Augen, Arbeitskittel, nur wenige Lachfalten mehr.

War der Beruf Instrumentenbauer schon immer Ihr Kindheitstraum?

Sicherlich hab’ ich als Junge irgendwelche Vorstellungen gehabt, was ich mal machen will, genau weiß ich das nicht mehr. Aber ab dem Tag, an dem ich diese Lehre begann, war eigentlich klar, dass das mein Ding ist und so ist das bis heute. Es ist ein absoluter Glücksfall, einen Beruf zu finden, der auf einen zugeschnitten ist. Instrumentenbauer war auf mich zugeschnitten, da Musik schon immer ein großer Teil meines Lebens war.

Inwiefern spielt Musik eine Rolle in Ihrem Leben?

Ich hab’ mit acht Jahren angefangen Klarinette zu spielen, später Saxophon. Musiziert habe ich in der Stadtkapelle Seligenstadt, wo ich heute noch aktiv bin oder in einem Verein, an der Schule, einer Jazz-Band oder im Orchester. Ich habe mich relativ schnell entwickelt und wurde als Dreizehnjähriger schon gebucht, um Chöre zu begleiten.

Das ist seit dem ersten Tag meine Leidenschaft und Passion.

Zabo

Kamen Sie also durch das Musizieren auf den Beruf Instrumentenbauer?

Die Frage „Was machst du?“ stellte sich in der zehnten Klasse. Ein Freund hat mich damals drauf gebracht, Instrumentenbauer zu lernen. Ich hatte vorher keine Vorstellung, was das sein sollte, obwohl ich schon immer Instrumente gespielt habe. 1979 habe ich mit der Lehre angefangen, seit 1988 habe ich meinen Meister. Ich habe mit sehr viel Freude gelernt und es war auch schnell klar, dass ich das irgendwann mal selbstständig machen möchte. Ich habe dann 1989 meinen eigenen Betrieb aufgemacht. Das ist seit dem ersten Tag meine Leidenschaft und Passion.

Ist Instrumentenbauer ein traditioneller Familienberuf?

Fast. Mein Vater war Raumausstatter-Meister und mein Bruder hat dieses Geschäft fortgeführt. Und meine Vorfahren waren Schmiedemeister. Also das is‘ schon ein bisschen Tradition – zumindest handwerkliche Tätigkeiten.

Kam schon mal ein Kunde mit einem Schaden an seinem Instrument, bei dem Sie sich gefragt haben, was da passiert ist?

Das kommt regelmäßig vor. Es kommen auch mal Leute zu mir und ein Auto ist über das Instrument gefahren. Ich sage immer: Meine Arbeit unterscheidet sich nicht von Karosseriespenglern. Gestern habe ich ein Saxophon repariert, da war ich mir nicht sicher, ob ich es wieder hinkriegen kann. Das ist aus zwei Metern Höhe, aus dem Koffer, von der Bühne runter und direkt auf die Stirnseite gefallen. Da war fast ein rechtwinkliger Knick, oben am Verbindungsstück zum S-Bogen. Ich musste ein bisschen rumprobieren, hab‘ mir extra noch eine Form gedreht, damit ich es ausbeulen kann. Da muss man dann im Vorhinein auch gut schätzen können, ob es sich überhaupt rentiert. Aber wir sind mit dem Saxophon ganz gut weggekommen.

Wenn der Fall nicht gerade so offensichtlich ist: Wie geht man vor, um herauszufinden, was an dem Instrument kaputt ist?

In der Regel sehe ich das sehr schnell. Ich habe an meiner Werkbank verschiedene Prüfinstrumente, zum Beispiel kleine Fühl- und Messgeräte. Damit kann ich dann sehen, woran es liegen könnte. In der Regel, wenn der Kunde das Problem beschreibt, weiß ich schon, wo ich suchen muss. Wenn es eine Kleinigkeit ist, dann kann ich das ambulant, ohne große Wartezeit erledigen. Wir entscheiden meistens vor Ort, wie die Reparatur zu gestalten ist, was es kostet, wie lang es dauert und so weiter.

Um herauszufinden, wo das Instrument kaputt ist, gibt es verschiedene Prüfinstrumente
Mit einer Leuchte kann man Undichte stellen finden
An den Tönen des Instruments kann man erkennen, welche Klappen nicht richtig funktionieren
Für die Reparatur braucht es Fingerspitzengefühl

Ab wann sind Instrumente nicht mehr zu retten?

Im Sommer saß ich ein einem Konzert von einem sehr guten Freund. Sie spielten Gstanzel-Musik bei uns im Klosterkeller in Seligenstadt und er machte die Moderation. Er erzählt so, setzt sich wieder hin, rutscht vom Stuhl ab und landet genau auf seinem Sopransaxophon. So ein Sopransaxophon hat normalerweise die Bauform wie eine Klarinette. Seins hatte sich an den Koffer angepasst und eine S-Form gehabt. Das war dann nicht mehr zu retten.

Gibt es einen Unterschied von Ihrer Lehre damals zur heutigen?

Das Berufsbild hat sich etwas verändert. Meine Klarinette, die ich als Meisterstück gemacht habe, ist komplett handgeschmiedet – alles, jedes Teil, komplett aus dem Nichts geformt. Ich habe sogar die Werkzeuge dafür gemacht, weil das mein persönlicher Anspruch war. Das stellt man sich heute gar nicht mehr vor.

Das heißt, Sie könnten selbst Instrumente bauen?

Ich hab’ hier einen Reparaturbetrieb, auch mit Sonderanfertigungen oder Umbau, aber Instrumente baue ich selber nicht. Dafür ist der Markt einfach zu klein und zu begrenzt. Zum Beispiel gibt es deutschlandweit nur noch einen einzigen renommierten Saxophonhersteller und da will ich jetzt nicht der Zweite sein.

Werden Sie aufgeschmissen sein, wenn irgendwann mal die Rente vor der Tür steht und Sie keine Instrumente mehr reparieren?

Haha, nein, ich hab’ auch noch andere Hobbys. Meine große Leidenschaft ist seit Jahren das Parcours-Bogenschießen. Das ist wenig verbreitet und kaum Leute kennen das. Man geht in den Wald und dort sind feste Parcours installiert. Das liegt irgendwie in meinem Naturell, weil das so etwas Beruhigendes ist.

Können Sie Instrumente noch sehen, wenn Sie abends Ihren Laden zu machen?

Das ist eine berechtigte Frage – ja, kann ich. Letztens stand eine Kundin vor mir und sagt „Endlich hab’ ich mein Instrument wieder“ – das war drei Tage hier – „man fühlt sich nur als halber Mensch ohne Instrument, geht es Ihnen nicht auch so?“ Darauf sagte ich: „Wissen Sie, ich mache das jetzt schon 45 Jahre, ich kann auch mal ein paar Tage ohne.“