„Zahlreiche Unternehmen sorgen inzwischen mit Online-Auftritten für Reichweite. Viele Yu-Gi-Oh! Fans wussten gar nicht, dass es Turniere gibt.“
„Zeit für ein Duell“
Zehn Uhr morgens in der Düsseldorfer Kongresshalle. Tausende Menschen stehen Schlange. Alle tragen einen Rucksack voller Karten und wollen an der Yu-Gi-Oh! Championship Series 2019 teilnehmen. Die Halle ist voll. Erfahrene und junge Spieler haben sich darin versammelt und wollen um den Titel mitspielen. Yu-Gi-Oh!? Das Sammelkartenspiel, das früher in den Schulpausen gespielt wurde, existiert also noch? Ja – und die Community ist größer als je zuvor und stets im Wachstum. Die offiziellen Turniere verzeichnen inzwischen Teilnehmerzahlen jenseits der tausend. Doch erst mal zurück zu den Anfängen. Im Jahr 1996 veröffentlichte der japanische Zeichner Kazuki Takahashi im Magazin „Shonen Jump“ eine Manga-Serie mit dem Titel „Yu-Gi-Oh!“. Diese wurde als Animeserie umgesetzt und 2003 von RTL II im deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Aus dieser Serie entwickelte sich eine Vielfalt an Merchandising-Artikeln wie eben das bekannte Sammelkartenspiel. Insgesamt gibt es heute über 9000 verschiedene Karten, aus denen die Spieler ihre Decks bauen können. Das Spiel ist sogar im Guinness Buch der Rekorde vertreten. Bis 2011 wurden über 25 Milliarden Yu-Gi-Oh! Karten an Spieler und Sammler gebracht. Damit gilt es als das meist verkaufte Sammelkartenspiel der Welt.
Yu-Gi-Oh! bedeutet übersetzt so viel wie König der Spiele. Die Spieler treffen sich regelmäßig auf den großen Turnieren, um sich mit den Besten messen zu können. Auf nationaler Ebene sind das vor allem Regionalmeisterschaften und die deutsche Meisterschaft, die dieses Jahr in Bochum stattfindet. Auf diesen Events können sich die erfolgreichen „Duellanten“ für die Europameisterschaft qualifizieren. Bei der Yu-Gi-Oh! Championship Series (YCS) treffen Spieler aus der ganzen Welt aufeinander. Der Veranstaltungsort variiert dabei. Für Matthias Lempa, deutscher Meister von 2014, ist das ein wichtiger Aspekt.
Doch was macht den Anreiz dieses Spiels aus? Egal ob Sammeln, Tauschen oder Spielen – Yu-Gi-Oh! bietet eine große Vielfalt. Ständig kommen neue Karten und Themendecks auf den Markt, die das Spiel verändern. Auch greift Konami regelmäßig mit Veränderungen durch die sogenannte verbotene und limitierte Kartenliste auf das Spielgeschehen ein. Karten, die Turniere zu stark beeinflussen, werden limitiert und sind damit nur noch bedingt spielbar. Einige Karten werden sogar verboten und dürfen nicht mehr in die Turnierdecks der Spieler. Das bringt eine einzigartige Dynamik in das Spiel.
Die Zeiten, in denen jeder die Originalserie verfolgt hat und sogar Filme in den Kinos liefen, sind vorbei. Aus diesem Grund hat die Marke Yu-Gi-Oh! an Bekanntheit und Beliebtheit auf dem Schulhof eingebüßt. Die damaligen Zuschauer sind heute jedoch erwachsen und besitzen das nötige Kleingeld, um sich die teureren Karten zu kaufen. Für Martina Kölsch von Silver-Cards spielen noch weitere Faktoren eine wichtige Rolle: „Einige Unternehmen haben ihre Sichtbarkeit ausgebaut. Firmen wie Silver-Cards sorgen durch verschiedene Online-Auftritte für Reichweite. Viele Fans wussten vorher gar nicht, dass es Turniere gibt.“ Generell habe sich die Atmosphäre auf den Events zum Positiven verändert. Es gehe nicht nur um das Gewinnen. Man möchte Freunde aus aller Welt treffen und zusammen mit ihnen etwas unternehmen „Die Personen vor Ort – Spieler, Veranstalter, Schiedsrichter oder Shopbesitzer – sind gewachsen und die Dinge gehen freundlich zu. Das überzeugt, wiederzukommen“, betont Kölsch. On top laufen die Turniere sehr professionell ab und sind bestens organisiert. Bei Großevents wie der deutschen Meisterschaft oder den Yu-Gi-Oh! Championship Series‘ gibt es sogar Feature Matches, die live im Internet gestreamt und von Tausenden Zuschauern beobachtet und kommentiert werden. Viele Spieler finden sich sogar in eigenen Teams wieder. Die Geschwister Hanne und Lutz gehören zu den "United Progamern" und treffen ihre Teamkollegen auf zahlreichen Events. Sie sind begeisterte Spieler und bestreiten die Turniere erfolgreich.
Früher kosteten bestimmte Decks 1000 Euro oder gar mehr. „Diese Zeiten sind vorbei“, so Martina Kölsch. „Wer heute vorne mitspielen will, kann durchaus mit weniger als 200 Euro durchkommen. Das mag zwar immer noch viel Geld sein, dennoch kann man das Deck auf mehrere Events mitnehmen.“ Außerdem erhalten ältere Deckthemen häufig Support, sodass sie wieder wettbewerbsfähig sind. Solche Decks haben Spieler immer wieder daheim liegen. Auch kommt man heute schneller an die Karten, da sie online übersichtlich gelistet sind und jeder Spieler Zugriff darauf hat. Fehlende Objekte können so problemlos und in kurzer Zeit bestellt werden.
Aber wie wird jetzt eigentlich gespielt?
Auf den offiziellen Events spielen immer zwei Spieler gegeneinander. Die Duellanten besitzen jeweils ein eigenes Haupt-Deck, bestehend aus 40 bis 60 Karten, und ein Extra- beziehungsweise Side Deck. Jeder Akteur startet mit 8000 Lebenspunkten. Ein Spiel ist gewonnen, wenn der Gegner keine Lebenspunkte mehr besitzt oder keine Karte von seinem Deck ziehen kann. In Yu-Gi-Oh! unterscheidet man drei Kartentypen: Eine große Auswahl an Monsterkarten mit Angriffs- und Verteidigungspunkten (ATK/DEF) und diversen Spezialeffekten sowie unterstützende Zauber- und Fallenkarten. Die Protagonisten starten mit jeweils fünf Handkarten. Yu-Gi-Oh! Turniere werden im „Best of Three-Format“ gespielt. Und das bedeutet was? Ganz einfach! Der Spieler, der zwei von drei Duellen gewinnt, ist der Sieger der Runde. Die einzelnen Spielphasen werden im Folgenden vereinfacht erklärt.
Spielphasen im Überblick:
- Draw Phase / Standby Phase: Der Zugspieler zieht eine Karte. Die Runde ist eröffnet. Bestimmte Karteneffekte können in dieser Phase aktiviert werden.
- Main Phase I: Der Zugspieler baut hier sein Feld auf und kann eine Monsterkarte in Angriffsposition beschwören oder in Verteidigungsposition setzen. Außerdem dürfen Zauber/Fallenkarten aktiviert oder verdeckt gesetzt werden. Der Gegenspieler darf auf die einzelnen Schritte mit seinen Karteneffekten reagieren. Mit Spezialeffekten können weitere Monster ausgespielt werden.
- Battle Phase: Der Zugspieler hat die Möglichkeit, den Gegner anzugreifen. Jedes Monster in Angriffsposition darf in der Regel einen Angriff deklarieren. Dabei wählt man gegnerisches Monster als Angriffsziel und vergleicht die ATK und DEF Punkte der Monster. Wenn alle gegnerischen Monster zerstört sind, dürfen die Lebenspunkte des Gegners angegriffen werden.
- Main Phase II: Identisch mit Main Phase I. Hat der Spieler noch kein Monster beschworen, kann er das in dieser Phase nachholen.
- End Phase: Der Spieler beendet seinen Zug und übergibt an den Gegner.
Ja, Yu-Gi-Oh! existiert noch und ist definitiv nicht out. Gemeinsame Touren durch Europa, Freunde aus aller Welt treffen und ein vielseitiges Sammelkartenspiel – das lockt viele Spieler an und sorgt für ein großes Wachstum der Community. Und die Tendenz zeigt, dass sich das wohl so schnell nicht ändern wird.