Das geht meistens wieder weg, aber nicht immer vollständig. Bei manchen bleibt die Brustwarze gefühlloser als sie vorher war
Wenn der Chirurg eingreifen muss

Hinweis
Dieser Beitrag ist Teil eines Dossiers zum Thema „Selbstoptimierung“.
Dazu gehören auch:
Lilli spürt das kalte Metall unter sich. In einem weißen OP-Hemd und mit einer Haarkappe liegt sie auf dem OP-Tisch. Ein Gesicht, versteckt hinter einer grünen Maske taucht vor ihr auf. „Liegst du bequem? Ist dir kalt?“ Ihre Augen sind schon geschlossen, umso schneller sie weg ist, umso schneller ist es vorbei. Also Augen zu und durch, denkt sie sich.
Lilli ist 18, Schülerin und hatte einen plastisch-ästhetischen Eingriff. Mit 17 Jahren entscheidet sie sich für eine Brustverkleinerung. Sie entschließt sich für die Operation nicht aus ästhetischen Gründen, sondern aus medizinischen Gründen. Der Weg dahin war lang. Im Alter von zwölf Jahren begannen ihre Rückenschmerzen. Mit 14 wurden sie schlimmer. Sie spielte lange mit dem Gedanken einer Brustverkleinerung. Mit 17 Jahren wird ihr die Operation schließlich ermöglicht.
Die plastische Chirurgie setzt sich aus vier Feldern zusammen: Die rekonstruktive Chirurgie, die Handchirurgie, die ästhetische Chirurgie und die Verbrennungschirurgie. Bei plastischen Operationen denkt man oft an „Schönheitsoperationen“, dabei sind sie nur ein kleiner Aspekt. Zu plastischen Chirurg*innen kommen auch Verbrennungsopfer, Unfallopfer oder Krebspatient*innen.
Was sind Schönheits-OPs?
Eine Schönheitsoperation ist ein chirurgischer Eingriff, für den keine medizinische Notwendigkeit besteht. Der Behandlungswunsch basiert lediglich auf dem subjektiven Empfinden der Patientin/des Patienten.
Quelle: konsumentenfragen.at
Bei Lilli war der entscheidende Punkt die Rückenschmerzen. „Wenn ich mich ins Bett gelegt habe, musste ich immer erst mal kurz atmen, weil ich unten am Rücken solche Schmerzen hatte“, beschreibt die 18-Jährige ihre Schmerzen. Das führte unter anderem dazu, dass sie teilweise im Sportunterricht nicht teilnehmen konnte. BHs in der passenden Größe zu finden war schwierig. Sie konnte nur Sport BHs tragen. Besonders aufgefallen sind ihr die Schmerzen an Konzerten. Nach einem bestimmten Konzert fasst sie den Entschluss: Sie möchte eine Brustverkleinerung. „Vor allem, als ich dieses eine Konzert hatte, wo ich mich danach hinsetzen musste und richtig atmen musste und mir dachte, ich kann gar nicht mehr stehen", erklärt sie.
Ihr war wichtig, die OP vor ihrem Abi zu machen. „ Damit ich auch ein schönes Kleid anziehen kann und nicht gucken muss wegen dem BH. Und dass ich laufen kann, ohne die ganze Zeit Schmerzen zu haben“, erklärt Lilli.
Wer zahlt die Operation?
Aber wann wird ein Eingriff von der Krankenkasse übernommen? Lilli erzählt, sie sei von Arzt zu Arzt gerannt, bis sie ein Termin im Krankenhaus bekommen habe. Von da an läuft es problemlos. Im Gespräch mit einem Arzt berichtet sie von Beschwerden, die sie durch ihre Brüste hat. Es werden Bilder von ihr gemacht. Der ganze Bericht wird anschließend an die Krankenkasse geschickt. Von da aus geht der Bericht an den medizinischen Dienst. Hier geben Mediziner*innen eine Einschätzung ab, ob die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden sollten. Den finalen Entschluss fällt die Krankenkasse. Nicht bei allen läuft der Prozess so problemlos ab wie bei Lilli. Wenige Wochen später bekommt Lilli die Antwort: die Operation in Höhe von 6.000 Euro wird übernommen. Manuel Geis, stellvertretender Abteilungsleiter bei der Debeka, weiß, ein Eingriff wird nur dann bezahlt, wenn er medizinisch notwendig ist. Rein ästhetische Gründe würden nicht ausreichen. Eine reine WunschOP wird nicht von den Krankenkassen übernommen.
„Die medizinische Notwendigkeit ist das entscheidende Kriterium dafür, ob eine Leistung erstattungsfähig ist“, schreibt Manuel Geis. Eine Behandlung sei medizinisch notwendig, wenn sie geeignet ist eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhindern oder Beschwerden zu lindern. Laut Verbraucherzentrale kann auch ein starker psychischer Leidensdruck bei Entstellung dazu führen, dass die Operation übernommen wird. Dazu zählen etwa Nasenkorrektur bei Behinderung der Atmung, Anlegen von abstehenden Ohren bei Kindern, wenn sie zu psychosozialen Problemen führen, Wiederherstellung der Brust nach Brustkrebs.
Wie viele plastisch-ästhetische Eingriffe jährlich aus medizinischer Notwendigkeit durchgeführt werden lässt sich nicht bestimmen. Manuel Geis von der Debeka gibt zu bedenken, dass die Eingriffe auf unterschiedliche Arten abgerechnet werden. So ist eine einheitliche Auswertung nicht möglich.
Eine Operation bringt Risiken mit sich
Nach einem operativen Eingriff können generelle Risiken auftreten. Dazu zählen Wundheilungsstörungen, Infektionen oder Nachblutungen. Um Blutergüsse zu vermeiden, werden Drainagen angelegt. Die Drainagen sorgen dafür, dass Wundflüssigkeit und Blut ablaufen können.
Eine Brustverkleinerung bringt auch einige Risiken mit sich. Nach der OP kann es zu Taubheitsgefühlen in der Brustwarze und der Haut kommen. Doktor Christian Kreutzer, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie merkt an, dass die Brust stellenweise taub werde. Das Taubheitsgefühl bleibt nur in Einzelfällen dauerhaft. „Das geht meistens wieder weg, aber nicht immer vollständig. Bei manchen bleibt die Brustwarze gefühlloser als sie vorher war.“ Außerdem kann es zu leichten Unterschieden der Brustform kommen.
Mittlerweile ist Lilli's Operation schon einige Monate her und die Narben sind verheilt. An das Gefühl nach der OP kann sich die 18-Jährige noch gut erinnern. „Es fühlt sich an, als hätte man einfach einen Fremdkörper an sich dran. Es ist kein richtiger Fremdkörper, weil nichts reingemacht wurde, aber es fühlt sich komplett komisch an.“ Und definitiv leichter, fügt sie hinzu.
Lilli sitzt im Café und nimmt einen Schluck von ihrem Latte Macchiato. Um sie herum ist ein Stimmengewirr zu hören, das ab und zu durch das laute Scheppern von Geschirr übertönt wird. „Lang stehen ist seit der OP wieder um einiges möglicher: Sich einfach hinlegen ohne Schmerzen, Sport machen, ohne dass ich aufhören will, weil es weh tut oder sich blöd anfühlt. Oder einfach einen BH kaufen“, Lilli spricht schnell. Eine Leichtigkeit schwingt in ihren Worten mit. Sie wirkt zufrieden und lehnt sich entspannt in ihrem Stuhl zurück. Der lange Weg zur Operation hat sich für sie gelohnt. Nun kann Lilli ihren Abiball genießen, ohne schmerzenden Rücken.