Vom Pub zur Primetime

„Game, Shot and the Match“ ertönt es um kurz nach 00:00 Uhr am Samstagabend in der Salema Bar mit Steel. Der Sieger dieses Darts-Turniers steht fest, womit ein langer Abend aus sportlichem Wettkampf und Gemeinschaft zu Ende geht. Einige Stunden früher ist noch nichts entschieden. Die Teilnehmenden schätzen noch ihre Chancen ein. Auch diesen Samstag hat der Darts Club Mannheim United e. V. wieder zum offenen Turnier eingeladen. Heute sind etwa ein Dutzend Herausfordernde angetreten. Alle spielen aktiv im Verein. Sie eint eine Sache: die Leidenschaft für diesen Sport! Doch das hier ist kein Einzelfall. Darts ist so beliebt wie noch nie und vor allem in den letzten Jahren ist die Popularität enorm gestiegen.

„Die Faszination ist der Perfektionismus. Wenn du mit Darts anfängst und du betreibst es seriös, dann kommen schnell die ersten Triples. Dann wirfst du irgendwann deine erste 180. Aber das Beeindruckende ist, dass die Profis auf der Bühne nicht nur eine werfen, sondern mehrere in einer Partie“, erläutert Spieler Mark Albert. Nur ein Grund dafür, warum sich immer mehr Leute für Darts interessieren. 

Vor gerade einmal sechs Jahren gab es Mannheim United noch gar nicht. Erst im Juli 2020 wurde der Verein gegründet. Mittlerweile hat er über 130 Mitglieder und 10 verschiedene Mannschaften. Die Mannheim United 68ers spielen sogar in Baden-Württembergs höchster Spielklasse, der BW-Liga. Der Verein ist eine Anlaufstelle für jeden, der Anschluss finden will. Gerade zur WM und zum Saisonstart im Herbst merke man regelmäßig, dass die Anfragen mehr werden, erklärt der 2. Vorsitzende Jürgen Zimmermann. Ein Trend, der für ganz Deutschland gilt. Von 2014 auf 2024 hat sich die Mitgliederanzahl von Dartsvereinen um mehr als 100 Prozent gesteigert. Bei Mannheim United spielt auch das Gefühl der Gemeinschaft eine Rolle. Abends kommt man in der Bar zusammen, entspannt in der Runde, feilt aber auch an seiner Spieltechnik. Von außen mag es zwar so aussehen, als würde Darts hier als reiner Kneipensport betrieben werden, schaut man aber genauer hin, wird die Professionalität deutlich. Es gibt eine Vereinshymne, eigene Trikots, mehrere Spielstätten und regelmäßige Spieltage sowie wöchentliche Trainings. 

Zwar steht der Spaß am Spiel immer noch im Vordergrund, aber der Sport ist mittlerweile mehr als bloßer Zeitvertreib. Grund dafür sind laut Philipp Minghe von Mannheim United auch die verschiedenen Spielstile. Jeder hält den Dart anders. Jeder wirft verschieden und hat dafür seine eigene Technik. Man sieht immer etwas Neues, etwas Anderes als vorher, weswegen viele Darts fesselt. Der Sport ist zudem wegen seiner Fankultur populär. Die Zuschauenden sind oft in den unterschiedlichsten Kostümen verkleidet. Ähnlich wie an Fasching. Es wird gefeiert und es werden Sprechchöre gesungen. Auch auf die Spielenden und deren Aktionen. Und das alles, während auf der Bühne gespielt wird. Dennis Dobrindt von den „Mannheim United 68ers“ berichtet davon, wie er den World Cup of Darts, die prestigeträchtige Team-Weltmeisterschaft live miterlebt hat: „Ich bin in diese Halle reingelaufen und habe direkt Gänsehaut bekommen, bei dieser Stimmung.“ Die belebte Stimmung der Fans vor Ort ist mittlerweile ein entscheidender Auslöser für die Faszination Darts. 

Für Andrian Geiler, Darts-Kommentator bei DAZN, spielt dabei auch ein zentraler Ort eine wichtige Rolle: Der Alexandra Palace in London, Austragungsort der Weltmeisterschaft. Er sei „eine Art Heiligtum des Darts.“ Jedes Jahr ist die Halle randvoll und es werden immer mehr, die vor Ort dabei sein wollen. Bereits während der WM im letzten Jahr gab es Diskussionen darüber, den Austragungsort in Zukunft zu ändern. Denn der Andrang im „Ally Pally“ wurde so groß, dass viele Fans keine Tickets mehr bekamen. Nach nur 15 Minuten waren alle 90.000 Eintrittskarten ausverkauft. Der Wunsch, live dabei zu sein, nimmt zu, wie auch die TV-Zuschauerzahlen zeigen. Das Finale letztes Jahr erreichte neue Rekorde. In der Spitze sahen über 3 Millionen Menschen auf SPORT1 zu. Und auch das Interesse der TV-Anbieter wird größer. Sender aus den USA sichern sich Rechte und britische Sender verlängern ihre Lizenzen. In Deutschland steige das Interesse für neue TV-Verträge aufgrund der hohen Nachfrage ebenfalls, so Adrian. Der Sport ist mittlerweile ein professionell organisiertes Business mit großen Sponsoren wie BMW oder Mercedes.

Einen großen Anteil an diesem Aufschwung haben auch die Spieler selbst. Für den Kommentator spielen dabei auch die Erfolge von Dartsspieler Luke Littler eine Rolle. Dieser erreichte bei seiner ersten WM 2024 das Finale. „Das hat einen unfassbaren Push gegeben. Etwas, was dieser Sport noch nicht hatte: Ein Teenager, ein Sechzehnjähriger, der Darts auf den Kopf stellt.“ Seither gewann er sowohl die WM als auch die Premier League. Erst kürzlich eroberte er auch Platz eins der Weltrangliste. Aber nicht nur Littler, sondern viele weitere Top-Spieler begeistern die Fans, im Fernsehen, aber auch auf Social Media. Eine Community, die fleißig liked, kommentiert und teilt, ist dafür verantwortlich, dass Darts in den sozialen Medien gut ankommt. So folgen zum Beispiel 640.000 Menschen der Nummer drei der Welt, Michael Van Gerwen, auf Instagram. Und Stephen Bunting, Nummer vier der Welt, begeistert mehr als 350.000 Follower auf TikTok. Und auch hier setzt die Nummer eins der Welt mit fast 2 Millionen Instagram-Followern neue Maßstäbe. 

„Luke Littler ist gerade für unsere Jugend definitiv ein Vorbild. In der heutigen Computer-Zeit motiviert er dazu, sich mal eine Scheibe zu Hause hinzuhängen“, findet Mark von Mannheim United. Dass der Sport so beliebt ist, wird also von den Spielenden, aber auch von der Faszination zur Sportart selbst beeinflusst. „Ich glaube, dass Leidenschaft und Nahbarkeit entscheidende Faktoren sind, warum Darts viele begeistert. Es ist ein echt ehrlicher Sport und du kannst ihn auch immer nachvollziehen. Gerade wie das ist, einen schwierigen Dart irgendwo hinzusetzen. Wenn du das bei anderen Leuten siehst, dann glaube ich, verbindet das. Darts ist so ein Sport, der fängt dich ein und lässt dich nicht mehr los“, sagt Adrian. 

Zurück in der Salema Darts Bar bei Mannheim United um 00:00 Uhr. Mark hat sich im Finale des Turniers gegen Dennis durchgesetzt und den Sieg eingefahren. Mit einem Handshake beglückwünschen sich beide zu einer Partie auf sehr hohem Niveau. Die verbliebenen Vereinsmitglieder applaudieren und loben die Qualität der Spielenden. Trotz der späten Uhrzeit ist die Stimmung gelassen, auch wenn der ein oder andere schon früh ausscheiden musste. Aber egal ob in Mannheim oder bei einem anderen Dartsverein. Zu Hause vor dem Fernseher, der eigenen Dartscheibe oder sogar im Ally Pally. Egal ob Zuschauende oder Spielende: Die Nahbarkeit des Spiels, das Gemeinschaftsgefühl, die besondere Fankultur und die einzigartigen Persönlichkeiten machen den Sport einzigartig. Für Menschen in Deutschland und auf der ganzen Welt.