Eine neue Benachrichtigung - Die Kolumne

„Ist was passiert? Dein Profil ist weg.“

Jeder Blick aufs Smartphone wird zu einem Vergleich mit anderen.
16. Mai 2021
Aktuell nutzt fast jeder die sozialen Medien, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben. Aber warum machen sich Freunde und Bekannte Sorgen, wenn man die digitale Welt für eine Weile in Standby versetzt? Die Kolumne „Eine neue Benachrichtigung“ greift genau das auf.

Kalter Internetentzug - naja fast, auf WhatsApp war ich weiter erreichbar. Es war wohl eher ein Social-Media-Entzug Light. Anfang des Jahres habe ich mich für ein paar Wochen von Instagram verabschiedet. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion entschied ich mich dazu, die sozialen Medien ins Standby zu versetzen. „Ist was passiert? Dein Profil ist weg“ schrieb mir eine Freundin am nächsten Morgen. Da wurde mir klar, dass Instagram ein großer Teil in meinem Leben ist. Meine Gründe für die Entscheidung waren einfach. Die sozialen Medien sind alles andere als sozial. Jedes Bild wird vor dem Veröffentlichen 15-mal angeschaut. Beim 16ten Mal habe ich mich dann doch dagegen entschieden, weil ich es zu oft angesehen habe. Ständig erwischte ich mich dabei, wie ich mich mit anderen verglich. Warum ist meine Haut nicht so rein? Ihr Leben scheint perfekt. Jeder Aspekt ist durchgeplant, bearbeitet und die ideale Selbstdarstellung spielt die wichtigste Rolle. Da sind dann verbogene Böden oder Gardinen, durch zu viel Photoshop, das kleinste Problem. Der ständige Vergleich beeinflusste meine Selbstwahrnehmung. Ich wurde immer unzufriedener, obwohl ich keinen Grund dazu hatte. 

Die sozialen Medien als Zeitfresser

Eine Langzeitstudie der Universität Montreal zeigt genau diesen Zusammenhang. In der Studie aus dem Jahr 2019 wurden 4000 Jugendliche beobachtet und ihr Verhalten in den sozialen Medien analysiert. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass ein Zusammenhang zwischen der regelmäßigen Nutzung und der Entwicklung von depressiven Symptomen besteht. Dabei spielte besonders die Zeit, die die Teilnehmer*innen auf Instagram und Co. verbrachten, eine entscheidende Rolle. Es ist logisch: je mehr Zeit man in den sozialen Netzwerken verbringt, desto weniger hat man für gesündere Aktivitäten oder Projekte übrig. Die Studie belegte auch, dass besonders die, meist unbewusst gezogenen, sozialen Vergleiche die negativen Effekte hervorrufen. 

„Ist was passiert? Dein Profil ist weg“ 

„Ne es ist alles gut, ich brauch einfach nur Zeit offline“. Im Endeffekt hätte ich ja auch nur die App löschen müssen. Aber wenn ich dann auf Instagram-Messages nicht antworte, ist das doch auch unhöflich? Ist Instagram denn so wichtig, dass man sich Sorgen machen muss, wenn jemand seinen Account löscht? Ich war ja trotzdem noch erreichbar, also wären auch keine Brieftauben nötig gewesen, um mir Memes zu schicken. Während dem Entzug Light habe ich vor allem meinen Schlafrhythmus normalisiert. Meine Eltern waren überrascht als ich um 9 Uhr, statt erst um 12 Uhr, wach war. Verständlich. Ich war auch überrascht.

Ich denke nicht, dass alles an den sozialen Medien schlecht ist. Man kann die wichtigsten Nachrichten schnell lesen, Kontakte pflegen und Bekannte fragen, wie das Wetter gerade in Boston ist. Es ist alles möglich. Die Dosis macht das Gift. Mir war es wichtig, dass ich auf meine mentale Gesundheit achte. Diese wurde durch die sozialen Medien eher ins Negative beeinflusst. Gerade aktuell, wenn man Instagram, TikTok und Co. zur Unterhaltung nutzt, sollte man sich fragen, ob der Konsum in dem Maß sinnvoll ist, oder ob man nicht vielleicht mal wieder nach draußen gehen sollte. Natürlich sage ich nicht, löscht jedes Netzwerk und schreibt euch wieder Briefe. Es ist eher wichtig zu überlegen, ob man wirklich noch zwei Stunden durch Instagram scrollen möchte, statt andere Dinge mit dieser Zeit anzustellen und ob die sozialen Medien das eigene Denken schon beeinflusst haben.