Thrombose

Harmlos bis zum Tod

Stützstrümpfe zu tragen, ist, vor allem als junge Frau, eine Challenge. (Symbolbild)
11. Dez. 2019

„Mich trifft das ja eh nicht!“ oder „Das ist doch so selten!“ sind die Gedanken vieler junger Frauen, die von Krankheiten aufgrund der Antibabypille hören. Um ehrlich zu sein, waren das auch meine Gedanken. Bis ich fast an einer Thrombose mit einer Lungenembolie starb.

Keine Probleme während meines Auslandsjahres zu haben, das war meine Hoffnung, als ich mir im Juni 2015 die Pille verschreiben ließ. Damals war ich kurz davor, für ein Jahr als Austauschschülerin nach Dänemark zu gehen. Wie die meisten jungen Menschen, die für so lange Zeit ihr Zuhause verlassen, hatte ich natürlich Angst, ob ich vor Ort Freunde finden würde und wie stark mein Heimweh sein wird. Meine größte Sorge lag bei den Krämpfen, die mir mit jeder Periode bevorstanden und mich oft ganze Tage an mein Bett fesselten. Mit der Pille konnte ich diesem Problem sehr gut aus dem Weg gehen. 
Mein gut durchdachter Plan funktionierte leider nicht, wie ich es mir vorgestellt hatte. Eigentlich fingen die Schwierigkeiten damit erst richtig an. Um genau zu sein, kostete mich dieser Plan damals fast mein Leben.

Zum Glück nur ein Muskelkater, sagt der Arzt

Sorgen um meine Gesundheit machte ich mir keine. Die Pille war für mich ein kleines rosa Wundermittel, das mir erfolgreich die Periodenschmerzen nahm.
Zwischen meinem Anreisetag und dem Gefühl, dass Dänemark mein Zuhause ist, lagen viele Tage an denen ich mit starkem Heimweh zu kämpfen hatte, Momente in denen ich Ablehnung von meinen dänischen Klassenkameraden erfuhr und der unerwartete Tod meines Opas. Zwar gab mir meine Gastfamilie Halt, indem sie mich behandelten und liebten wie eine Tochter, mit meinem Kopf war ich trotzdem komplett in Deutschland. 
Für die Beerdigung meines Opas flog ich für zehn Tage nach Deutschland. Zurück in Dänemark wusste ich, es muss sich etwas ändern. Ich allein bin für mein Glück zuständig! Mit dieser Einstellung schaffte ich es, offener auf meine Mitmenschen zuzugehen. Es fing an, mir zu gefallen und nach sechs langen und schwierigen Wochen, hatte ich endlich das Gefühl, angekommen zu sein.

Umso mehr nervte es mich, als ich blasenentzündungstypische Schmerzen bekam. Beim Arzt wurde meine „Blasenentzündung“ mit Antibiotika behandelt. Als nach der abgeschlossenen Medikation die Schmerzen nicht besser, sondern eher schlechter wurden, ließ ich mich erneut untersuchen. Mit einer Packung Ibuprofen gegen den „Muskelkater“ schickte man mich wieder nach Hause.

An kein Wochenende in meinem Leben erinnere ich mich so gut, als an das darauffolgende – vielleicht auch, weil ich noch nie solche Schmerzen durchstand. 
Trotz der starken Schmerzen erzählte ich niemandem, dass es nicht besser wurde. Weder meine Gastfamilie noch meine Familie in Deutschland sollten sich wegen einem „kleinen Muskelkater“ Sorgen machen.

Können so starke Schmerzen noch Muskelkater sein?

Am Montagmorgen war ich spät dran und musste auf den Bus zur Schule rennen. Dabei hatte ich das Gefühl, dass die Schmerzen in meinem Bein mich umbringen. Das Gefühl, nach einem 300 Meter Sprint beinahe zu ersticken, schob ich auf meine mangelnde Kondition. Ich nahm mir fest vor, mich bald im Fitnessstudio anzumelden und daran zu arbeiten.

In der Schule merkte ich, wie meine Beine langsam versagten, die Schmerzen waren zu stark. Nach Telefonaten mit meinen Eltern in Deutschland und meiner Gastmutter, schleppte ich mich mit Tränen in den Augen erneut zur 20 Kilometer entfernten Arztpraxis.

Ab diesem Zeitpunkt ging alles sehr schnell. Vom Arzt aus wurde ich mit dem Rettungswagen ins nächste Krankenhaus nach Holbaek gefahren. Nach einigen Untersuchungen bekam ich die Diagnose: „Tiefe Beinvenenthrombose mit beidseitiger Lungenembolie“. Das heißt, meine Hauptvene im linken Bein war vom Knöchel bis zur Niere mit Blutgerinnseln verstopft. Rechts hatte ich nur vereinzelte Thromben. Gefährlich wird es, wenn sich diese Thromben lösen und auf den Weg in andere Teile des Körpers machen. Dabei kann zum Beispiel eine Lungenembolie ausgelöst werden, so wie es bei mir der Fall war.

Ich hatte riesiges Glück. Nicht selten endet eine Lungenembolie tödlich. Allein in Deutschland sterben jährlich 40.000 bis 100.000 Menschen, laut der „Deutschen Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin“ (DGA), an Blutgerinnseln in der Lunge.
Mein dänischer Arzt erklärte mir damals, warum ich an einer Thrombose erkrankte, obwohl keine typischen Risikofaktoren wie Rauchen oder Übergewicht mitspielten.

Die Pille war der Auslöser 

Erst nachdem es passierte, wurde mir erklärt, dass es unterschiedliche Generationen der Pille gibt. Die 3. und 4. Generation hat ein stärkeres Thromboserisiko als die Pillen der 1. und 2. Generation. 
 

Das Thromboserisiko bei Pillen mit den Gestagenen Desogestrel, Drospirenon und Gestoden.

Nach meiner Erkrankung wurde der Gendefekt „Faktor V Leiden homozygot“ festgestellt. Dieser stört die Blutgerinnung und das Risiko, an einer Thrombose zu erkranken, steigt. Ganz besonders dann, wenn noch andere Risikofaktoren, wie bei mir die Einnahme der Pille, dazukommen.

"Durch die Stützstrümpfe fühlte ich mich unattraktiv und irgendwie wie eine alte Frau."

Karolin Rufner

Die Schmerzen, die ich hatte, waren schlimm. Noch schlimmer aber war der psychische Druck, der auf mir lastete. Ich musste mich entscheiden: Bleibe ich in Dänemark oder breche ich mein Auslandsjahr ab? Die bequemere Option war eindeutig, zurück nach Hause zu gehen. 
Ich entschied mich jedoch dagegen und blieb in Dänemark. Die ersten vier Wochen konnte ich nur mit Krücken gehen, die starken Schmerzmedikamente führten zu einer ständigen Müdigkeit und die Stützstrümpfe raubten mir einen großen Teil meines Selbstbewusstseins – ich fühlte mich krank. 

Dänemark, meine zweite Heimat

Und trotzdem ließ ich mich von dieser neuen Situation nicht unterkriegen. Meine Gastfamilie und meine Familie in Deutschland, sowie viele dänische und internationale Freunde waren eine große Unterstützung für mich. Heute habe ich in Dänemark nicht nur eine zweite Familie, sondern auch eine zweite Heimat, in der ich eine harte Zeit erfolgreich gemeistert habe.

Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich froh darüber bin wie alles abgelaufen ist. Die Thrombose hätte ich vermutlich sowieso irgendwann bekommen und wer weiß, vielleicht wäre ich in einer anderen Situation nicht so glimpflich davongekommen.

Du möchtest die Pille absetzen oder dich über deine Pille informieren?

Sprich am besten deinen Frauenarzt darauf an und lass dich von ihm beraten.

Erkenne erste Symptome!

Treten bei dir die oben genannten Symptome auf (Schmerzen, die einem Muskelkater ähneln, Kurzatmigkeit, Schweregefühl in den Beinen, Schwellung der Beine), solltest du dich auf jeden Fall von einem Arzt untersuchen lassen und ihn deutlich auf die Einnahme der Pille hinweisen.