Landwirtschaft

Rassismus unter Imkern

Zwei Bienenköniginnen mit ihrem Volk – links: Carnicabiene, rechts: Buckfastbiene.
30. Jan. 2019

Imker, die andere Imker aufgrund der Bienenrasse bekämpfen. Betroffene, die Angst haben, Stellung zu beziehen. Experten, die sich uneinig sind. Es klingt verrückt, ist aber harte Realität. Die Bienenrassen-Diskussion erhitzt seit Jahrzehnten die Gemüter der ganzen Imkerschaft.

Die Biene hat’s nicht leicht – diese Meinung ist aktuell in den Köpfen vieler Menschen verankert. Das Thema „Bienensterben“ wird in Deutschland medial groß aufgerollt. Was viele darüber hinaus jedoch gar nicht wissen: Unter den Imkern herrscht eine hitzige Diskussion darüber, welche Bienenrasse „die Beste“ ist. Das geht so weit, dass einzelne Imker Bienenvölker aufgrund der Bienenrasse töten oder deren Besitzer ausgrenzen, anfeinden oder bedrohen.

Herr Dr. Büchler vom Bieneninstitut Kirchhain über die Bienenrassen:

Die beiden Honigbienenrassen Carnica und Buckfast dominieren heute in Deutschland und haben größtenteils die heimische Dunkle Biene verdrängt. Zusätzlich sind auch Hybride sehr verbreitet, sozusagen natürliche Kreuzungen der Arten. Aber: Welche ist nun die beste Bienenrasse? Und warum sehen sich Imker durch die Bienenvölker anderer Imker vielleicht bedroht? Die Biene praktiziert evolutionär bedingt ein „freies Liebesleben”, den sogenannten Hochzeitsflug:

Der Hochzeitsflug

Wenn eine neue Bienenkönigin schlüpft, geht sie einmalig auf den „Hochzeitsflug”. Dabei fliegt sie zu bestimmten Sammelplätzen und paart sich im Flug mit bis zu 20 Drohnen. Der Samenvorrat reicht ein Leben lang.


Im extremsten Fall kann somit eine Bienenkönigin von Drohnen unterschiedlichster Rassen, also Carnica, Buckfast, Dunkle Biene, Hybriden oder anderen befruchtet werden. Das zukünftige Volk der nun befruchteten Königin trägt fortan ein sehr vielfältiges Erbgut in sich.

Die Paarung der Jungköniginnen mit Drohnen anderer Herkunft gehört zur Biologie der Honigbiene. Sind also Kreuzungen nicht natürlich und notwendig? Verfechter sehen diese Vermischung ihrer einen, alles überragenden Bienenrasse allerdings als ernsthaftes Problem. Einzelne Imker berichten von Abmahnungen, Anfeindungen und sogar Drohungen.

„Aber zieht euch warm an, es herrscht Krieg.“

Administrator in einem Imkerforum

Imker Martin Wagner* hielt früher Carnica. Zufällig stieß er auf die Rasse Buckfast. Heute ist er davon überzeugt, dass diese „Kunstrasse“ für ihn als Berufsimker am geeignetsten ist. Jedoch ließ der Widerstand aus dem eigenen Imkerverein nicht lange auf sich warten. Er bekam einen anonymen Anruf: „Hast du diese gelben Buckfast-Bienen angeschleppt? Ich weiß, wo zwei deiner Bienenstöcke stehen, die brennen bestimmt super. Dann hat sich die Sache auch gleich wieder erledigt. Denn das hier ist Carnica-Reinzucht-Gebiet!” Regelmäßig fand er Zettel mit Drohungen an seinen Bienenkästen. Daraufhin installierte er Kameras an den Ständen und konnte Imkerkollegen erwischen.

Andreas Mayer* hält seit zehn Jahren die Dunkle Biene, weil er die ursprünglich heimische Bienenrasse erhalten möchte: „Wir wissen nicht, für was wir die Genetik eines Tages brauchen.” Auch er hatte mit starkem Gegenwind seiner Imkerkollegen zu kämpfen. Zunächst waren es nur verbale Attacken. Vor allem die älteren Imker „aus der Nachbarschaft” hatten Angst vor einem alten Klischee: Die Dunkle Biene sei stechwütig. Die größten Probleme bekam er aber bei der Einrichtung einer Begattungsstelle, um die Dunkle Biene professioneller züchten zu können. Erste Zuchtversuche wurden sabotiert und der Groll nahm an Fahrt auf. „Mir wurde gedroht, dass man die Völker abtöte oder sich andere Wege einfallen lassen würde, die Völker zu beseitigen.”, erzählt Andreas Mayer.

Bis auf die Anfeindung passierte glücklicherweise nichts. Jedoch bleibt es in einzelnen Fällen nicht nur bei infantilen Angriffen. Mayer berichtet von einem Imkerkollegen, bei dem Bienenstöcke aufgrund der Rassendiskussion angezündet wurden. Auf die Anfrage der Autoren hin identifizieren sich weitere Imker als Opfer des Rassendiskurses. Zwei Imker berichten sogar von Tötungen ihrer Bienenvölker. Eine ad hoc durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass circa ein Drittel der Imkerschaft Erfahrungen mit Kritik, Anfeindungen oder Tötungen von Bienenvölkern aufgrund der gehaltenen Rasse sammeln musste. Über die Hälfte der Imkerschaft ist sich allerdings einig, dass es keine beste Bienenrasse gibt.

Herr Dr. Büchler vom Bieneninstitut Kirchhain über die Rassenunterschiede:

Der Imker kümmert sich um die Biene – das ist Fakt. Die meisten Imker führen eine friedliche Koexistenz. Es sind nur einzelne Rassenverfechter, die die Konfrontation bei der Frage nach der „einzig wahren Bienenrasse“ suchen. Sie könnten sich ein Beispiel an ihren Schützlingen nehmen. Denn: Die Biene macht sich keine Gedanken um Reinrassigkeit. Die seit Jahrmillionen anhaltende Evolution bestimmt schon immer die Erfolgsgeschichte der Biene. „Unser Honigmacher” ist ein hochentwickeltes Lebewesen. Durch die Paarung mit anderen Rassen kann sich die Honigbiene schnell positive Eigenschaften aneignen – das ist ihre größte Chance für die Zukunft.

*Name von der Redaktion geändert