„Ich war sofort Feuer und Flamme.“
Zum Glück gibts den Schornsteinfeger
„Entschuldigung – darf ich dich kurz anfassen?“ Diese doch leicht befremdliche Situation ist für den 32-jährigen Kalle Alltag. Immer wieder wird er von wildfremden Personen auf der Straße angesprochen – ob drücken, anfassen oder sogar über die Schulter spucken – das alles ist für ihn ganz normal. Und nein, Kalle ist kein heißes Mitglied einer angesagten Boyband. Kalle ist Schornsteinfeger.
Aber woher kommt das eigentlich? Warum freuen wir uns so, wenn wir einem Schornsteinfeger begegnen und warum möchten ihn so viele Menschen berühren?
Zeitreise in die Vergangenheit
Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir weit in die Vergangenheit reisen. Weg von „Smartphones“, „Netflix“ und Co, zurück in das Mittelalter, wo Häuser komplett aus Holz bestanden und Brandschutz noch ein Fremdwort war. Sah man hier auf der Straße einen Kaminkehrer, so wusste man, dass es in nächster Zeit keinen Brand geben würde, denn wenn es erst einmal gebrannt hatte, dann brannte meist das ganze Dorf ab. Lebensretter war er also, der Schornsteinfeger. So überlieferte sich mit der Zeit das Glück des Schornsteinfegers und das ist auch heute noch so.
Drei Jahre Gesellenausbildung und anschließend drei Jahre neben der alltäglichen Arbeit auch noch die Schulbank für die Meisterprüfung drücken. So lange dauert die Ausbildung zum Schornsteinfeger. Durch Zufall und eine freie Ausbildungsstelle ist Kalle an den traditionellen Beruf geraten. „Ich war sofort Feuer und Flamme.“ Aber warum eigentlich? Für Kalle machen vor allem die verschiedenen Menschen seine Tätigkeit besonders: „Man sieht einfach alles: Wohnungen, bei denen der Dreck bis zur Decke steht, Drogenabhängige, oder wiederum die herzliche Oma und den angesehenen Doktor. Das ist unglaublich interessant.“
Soziales Geschick als wichtigstes Werkzeug
Der soziale Aspekt ist ein wichtiger Punkt in diesem Beruf. Manche seiner Kunden besucht er bis zu drei Mal im Jahr. „Die kennen mich schon beim Vornamen, manche besuche ich öfter als deren eigener Sohn“. Deswegen gibt es hin und wieder auch erstmal ein Stück Kuchen oder ein kleines Mittagessen. Zum Dank wird dann schon mal die Glühbirne gewechselt, die Einkaufstaschen hochgetragen oder einfach nur zugehört, wenn über die aktuellen Sorgen geklagt wird. „Ist ja kein Problem und ich mache es gerne.“ Und das glaubt man ihm. Wer am Tag bei circa zehn bis 15 Menschen in die Wohnung schaut, der kann kein Menschenfeind sein.
Natürlich reicht das soziale Geschick für den Beruf des Schornsteinfegers alleine nicht aus. Physik- und Chemiekenntnisse sind unabdingbar, Verbrennungslehre und die aktuelle Bauordnung sind ein Muss in der Ausbildung. Durch viel Sport versucht sich Kalle zudem auch körperlich fit zu halten – „wenn man doch mal auf das Dach klettern muss, ist das wichtig.“
Hilfreich bei seiner Arbeit ist auch die Uniform, die der Schornsteinfeger trägt. Schwarz mit goldenen Knöpfen und einem Zylinder - so kennt und liebt man ihn. Was viele nicht wissen: Ledereinsätze an Knie und Ellenbogen schützen ihn zusätzlich bei seiner täglichen Arbeit. Ein kleines weißes Halstuch soll den gröbsten Schmutz abhalten und die Schuhe mit Stahlkappen schützen die Zehen des Glücksbringers.
Beratung und Kontrolle
Aber was macht ein Schornsteinfeger eigentlich alles? Ganz klar, Kaminkehren ist immer noch eine der Hauptaufgaben eines Schornsteinfegers. Doch im Laufe der Zeit hat sich das Tätigkeitsfeld auch stark gewandelt: „Das kommt ganz darauf an – Stadt und Land unterscheiden sich da enorm“, erzählt Kalle und erinnert sich: „Einmal musste ich auf dem Land die Räucherkammer eines Metzgers reinigen – das war eine Arbeit!“ Darüber hinaus ist ein Schornsteinfeger in beratender Funktion tätig und kontrolliert. In der Stadt sind dies hauptsächlich Gasheizungen. Gerade hier in Stuttgart beanstandet er fast täglich eine dieser Anlagen – das ist wichtig, denn ohne diese Kontrollen würden viel mehr Unfälle passieren. Jährlich sterben in Deutschland ca. acht Menschen durch einen Gasunfall. Bei den Franzosen, bei denen der Schornsteinfegerbesuch kein Muss ist, sind es dagegen ca. 600 Tote pro Jahr. Natürlich ist auch der Feinstaub in Stuttgart ein großes Thema. Hier berät der Schornsteinfeger seine Kunden, die einen sogenannten Komfortofen benutzen. Da geht es dann beispielsweise um die Größe der Holzscheite oder dass die Öfen bei Feinstaubalarm nicht benutzt werden dürfen.
Die verschiedenen Aufgaben des Schornsteinfegers werden auch im Logo des Schornsteinfegerverbands dargestellt:
Fehler können tödlich enden
Und wenn dann doch einmal etwas passiert? „Mit einem Bein steht man immer im Knast, das ist ganz klar“, räumt Kalle ein. Einen wahrlich „brenzlichen“ Fall hat er sogar selbst schon mal erlebt. Ein Kunde manipulierte aus unerfindlichen Gründen nach Kalles Besuch die Klappe seines Heizofens. Eine ungünstige Wetterlage und Holzscheite, die zu nah am Ofen gelagert wurden, sorgten darauf hin für eine gewaltige Rauchbildung. Der Mann verstarb noch am Unfallort an einer Rauchvergiftung.
„Mit einem Bein steht man immer im Knast... .“
Umso schöner, dass Kalle jeden Tag aufs Neue um fünf Uhr morgens aufsteht und Stuttgart ein kleines Stückchen sicherer und lebenswerter für uns alle macht. Und nach einer herzlichen Umarmung bei der Verabschiedung, kann man das Glück des Schornsteinfegers schon fast ein bisschen spüren.