„Mir ist wichtig, dass die Studierenden selbst anpacken, auch mal verrückte Sachen ausprobieren und so ihre eigenen Ideen entwickeln und umsetzen können."
Studiengang Verpackungstechnik – Paketverpacker oder Weltverbesserer?

„Du studierst also Verpackungstechnik? Dann richtest du wohl Amazon- und DHL-Pakete her, nicht wahr?“ Mit diesem Vorurteil werden Aydan Semerci und ihre Kommiliton*innen häufig konfrontiert. Doch in Wahrheit sieht der Alltag im Studiengang Verpackungstechnik der HdM ganz anders aus.
In einem ihrer Projekte beschäftigen sich die Studierenden mit der Spritzgussmaschine „Babyplast“. Dabei füllen sie in einem wiederkehrenden Prozess den Kunststoff „High-Density Polyethylen“ (HDPE) in Granulatform in die Spritzgussmaschine, wo er geschmolzen und in Form gegossen wird. Abschließend muss das Produkt mehrere Tage ruhen, bis das Material ausreichend nachkristallisiert, also vollständig ausgehärtet, ist. Danach testen die Studierenden den Kunststoff auf Zugfestigkeit und Biegesteifigkeit.

Wichtig ist, dass der Prozess stets nach gleichem Muster abläuft, sonst könnten veränderte Bedingungen zu verfälschten Testergebnissen führen. Nach Beendigung der Tests werden die Spritzgussteile wieder zu Granulat Flakes geschreddert, um das oben genannte Verfahren erneut zu durchlaufen. Ziel des Prozesses ist es herauszufinden, wie sich der Schredderprozess auf die Materialeigenschaften auswirkt. Die Studierenden wollen sicherstellen, dass das recycelte Material weiterhin eine ausreichende Qualität für die Weiterverarbeitung hat. So können sie besser einschätzen, wie oft Materialien wiederverwendet werden können, ohne dass es zu großen Qualitätseinbußen kommt.
Doch die Verpackungstechniker*innen der HdM setzen sich nicht allein mit dieser Simulation auseinander. In einem weiteren Projekt beschäftigen sie sich mit der Optimierung einer Maschine, dem sogenannten „Extruder“.

Der Extruder wird benötigt, um zu Flakes gemahlene, 3D gedruckte Teile aus Polylactiden (PLA), eine Art Biokunststoff, aufzuschmelzen und in Form eines Strangs wieder aufzuspulen, sodass diese weiterverwendet werden können. Das Endprodukt wird nach der Nutzung wieder geschreddert und erneut „extrudiert“. Das Ziel der Studierenden ist es, Material im Kreislauf zu halten und Ressourcen zu schonen. Dafür optimieren sie Teile der Maschine mithilfe eines 3D-Druckers, damit das Material gleichmäßig extrudiert wird und auch recyceltes Material eine gleichbleibend hohe Qualität für neue Produkte aufweist.
Die Student*innen leisten mit beiden Projekten also einen wertvollen Beitrag zur Forschung und Entwicklung nachhaltiger Verpackungen.
Dabei zeigt sich: In diesem Studiengang liegt der Fokus stets auf der Praxis. Georg Kämmler, Professor des Wahlpflichtfachs „Prozesstechnik Kunststoffe“, bestätigt dies: „Mir ist wichtig, dass die Studierenden selbst anpacken, auch mal verrückte Sachen ausprobieren und so ihr eigenen Ideen entwickeln und umsetzen können.“
Die oft unterschätzte Bedeutung von Verpackungen
Nun stellt sich die Frage, warum die Arbeit dieser Studierenden überhaupt so bedeutend ist. Die Antwort ist einfach: Weltweit müssen jeden Tag über acht Milliarden Menschen mit Lebensmitteln versorgt werden, Millionen von ihnen erwarten täglich Pakete von Amazon und Co. Die frische und sichere Versendung dieser Güter ist ausschließlich durch die richtigen Verpackungen möglich, die aufgrund ihrer Barriere-Eigenschaften einen unverzichtbaren Schutz bieten.
Herausforderung Kunststoff
Genau deswegen ist Kunststoff als Verpackungsmaterial aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Tatsächlich fügt er unserer Erde aber auch Schäden zu. Der Student Maximilian Müller erklärt, dass Kunststoff teilweise mehrere Jahrhunderte braucht, bis er sich in der Natur zersetzt und so Mensch und Tier gefährden kann. Doch steht er zurecht in der Kritik? Aydan Semerci sieht das nicht so: „Der Kunststoff ist nicht der Bösewicht, sondern der Mensch, der damit unverantwortlich umgeht.“
„Der Kunststoff ist nicht der Bösewicht, sondern der Mensch, der damit unverantwortlich umgeht.“
Wenn der Plastikmüll richtig getrennt und zu den richtigen Sammelstellen transportiert werden würde, könnte er dort mit der richtigen Qualität recycelt und anschließend wiederverwendet werden, erzählt die angehende Verpackungstechnikerin. Laut Aydan wird Kunststoff aus Deutschland in Wahrheit aber oft in Länder mit schlechter Infrastruktur transportiert und landet schlussendlich im Ozean.
Aus diesen Gründen beschäftigt sich der Studiengang mit der Suche nach nachhaltigen Verpackungen aus biogenen Werkstoffen.
Ein letztes Problem gilt es noch zu lösen
Im Studiengang Verpackungstechnik lag der Fokus bisher auf den Verpackungen. In der Regel bilden Verpackung und Produkt jedoch eine Einheit und müssen gemeinsam betrachtet werden. Aus diesem Grund wurde der Studiengang weiterentwickelt und wagt im kommenden Herbst einen Neustart: Die Studierenden können dann zwischen den Vertiefungsrichtungen „technisches Produktmanagement“ oder „technisches Design Verpackungssysteme“ wählen. So sind sie für die spätere Berufswelt noch breiter aufgestellt. Wie sich der neue Studiengang in altem Glanz macht, wird sich dann zum Wintersemester 2025/26 zeigen.