„Die Leute machen einfach auf den Boden. Sie haben keine Gehirnzellen.“
Putzen an der Autobahn-Toilette: Ein Scheißjob?
Nur noch kurz die blauen Einweghandschuhe überziehen und schon kann es losgehen: Denitsa Petrova steht auf dem Rastplatz „Urweltfunde“ bei Aichelberg. Sie nimmt den großen Zehn-Liter-Kanister mit Reinigungsmittel in die Hand und füllt sich etwas in eine kleinere Flasche ab. „Dieses Teil hier gehört eigentlich zu unserem Hochdruckreiniger. Aber der ist seit ein paar Tagen kaputt“, sagt sie. Die kalten Minusgrade haben dem Gerät zugesetzt, da bleibt nur der Schlauch. Ihr Arbeitskollege Tsvetelin hat ihn schon in der Hand und spritzt den groben Dreck der Herrentoilette in Richtung Abfluss.
„Der Hochdruckreiniger geht so richtig durch die Rillen und unter den Türen hindurch“, erklärt Denitsa. Auch Kalkstein wäre da kein Problem. Jetzt wird eben von Hand geschrubbt – und das äußerst ordentlich. Beide haben einen Bürstenbesen in der Hand, keine Ecke wird ausgelassen. Auch die Wände müssen dran glauben. Auf dem Boden entsteht weißer Schaum. Der penetrante Toilettengestank im Herrenabteil verschwindet und es breitet sich ein wohlriechender Duft aus.
Ein Team – zuhause und auf der Arbeit
Ausgerüstet mit Klobürste und Spülmittel werden jetzt die Pissoirs und die Toilette gereinigt, von innen und von außen. Während Denitsa schon kurz danach zur Sprühflasche und drei verschiedenfarbigen Lappen greift, schnappt Tsvetelin sich wieder den Schlauch. Bei den beiden braucht es nicht viel Abstimmung. Sie sind ein eingespieltes Team mit routiniertem Ablauf. Hin und wieder sind kleine Zurufe zu hören, auf Bulgarisch. Sie kommen beide aus Bulgarien, leben aber schon seit einigen Jahren in Deutschland. „Wir sind verheiratet und haben zwei Kinder“, erzählt Denitsa. „Morgens um sechs gehen wir zusammen aus dem Haus und kommen abends gegen 17 Uhr wieder heim.“ Die Mutter von Tsvetelin passt tagsüber auf Sohn und Tochter auf. Nacht- und Wochenenddienste hat das Paar zum Glück keine.
Inzwischen ist es kurz vor 10 Uhr. Der Rastplatz Urweltfunde an der A8 ist nicht sonderlich groß, heute stehen kaum Autos und nur wenige Laster da. Es ist kalt und es nieselt. Hier und da liegt etwas Müll und nahe der Einfahrt schimmert eine Ölspur in den Pfützen. Das Toilettenhäuschen ist schon in die Jahre gekommen. Während Denitsa gerade dabei ist, im vorderen Bereich den Boden zu wischen und abzuziehen, spaziert ein Autofahrer nach hinten durch. Wie fast alle anderen auch, schaut er etwas skeptisch und scheint sich nicht sicher zu sein, ob er eintreten darf. Meistens kommt sofort ein munteres „Kommen Sie ruhig rein“ von einem der Reinigungskräfte.
Ein echtes Sicherheitsrisiko
Heute sei die Anlage ganz in Ordnung gewesen. Denitsa ist gerade in den letzten Zügen: Es müssen nur noch alle Oberflächen desinfiziert und die blauen Müllsäcke ausgetauscht werden. Denitsa will zeigen, was sie an anderen Tagen schon zu Gesicht bekommen hat. Sie holt ihr Handy aus der Tasche und scrollt durch ihre Galerie, um nach Bildern zu suchen. „Die Toilette ist sauber, die Klobrille ist sauber, alles sauber. Und trotzdem machen die Leute einfach auf den Boden. Sie haben keine Gehirnzellen“, ärgert sich die Reinigungskraft. „Es tut mir leid für die älteren Menschen und für die Kinder, die es sauber haben wollen, und dann sowas vorfinden.“
Verschmutzte Toiletten sind nicht nur unglaublich unangenehm, sondern ein echtes Risiko für die Verkehrssicherheit. „Rastanlagen sollen den Reisenden Gelegenheit geben, sich auszuruhen und Kraft für die Weiterfahrt zu tanken. Gelingt das nicht, dann ist dort ein erholsamer Aufenthalt kaum möglich“, sagt Andreas Hölzel, Unternehmenssprecher des ADAC. Besonders wichtig seien die Sanitäranlagen für die zahlreichen LKW-Fahrer*innen. „Also die normalen Toiletten, das sind die reinsten Dreckslöcher. Da kann man nicht draufgehen“, erzählt ein Fahrer. „Wo man hingehen kann, das sind die sauberen Sanifair-Toiletten. Die kosten zwar bisschen Geld, aber das kriegt man auch wieder“, ergänzt er.
Ein Job, der Spaß macht?
Auf der Route von Denitsa und Tsvetelin liegen zehn Toilettenhäuschen, die sie zweimal täglich reinigen müssen. Zu Ferienzeiten sogar dreimal am Tag. Für jeden Rastplatz entlang der A8 sind 15 Minuten einkalkuliert – „Wir müssen sportlich sein“, grinst die zweifache Mutter. Ist eine Anlage besonders verschmutzt, reicht die Zeit nicht ganz aus. „Es ärgert uns schon, dass die Leute es so dreckig machen. Wir haben beide die Toiletten gereinigt. Und nach zwei Stunden? Katastrophe!“
Der ADAC-Test fällt mäßig aus
Den Sanitäranlagen auf Rastplätzen eilt ein schlechter Ruf voraus. Beim letzten Test im Jahr 2022 wurden 50 Anlagen in ganz Deutschland auf ihre Sauberkeit getestet. 14 davon sind mit mangelhaft oder sehr mangelhaft durchgefallen. Bei knapp der Hälfte aller Tests gab es in puncto optische Sauberkeit keine Beanstandungen. Die Hygieneproben waren bei lediglich 18 Prozent unbedenklich, bei 81 Prozent gab es Hinweise auf mangelnde Reinigung. Zwei Rastplätze wurden auf null Punkte gesetzt, da Toiletten dauerhaft und ohne Hinweis an der Autobahn gesperrt waren.
Hin und wieder begegnen den Sanitärreinigern auch unfreundliche Reisende. „Leute denken, wir können die Sprache nicht, weil wir Ausländer sind. Dabei verstehen wir alles, was sie sagen. Es gibt viele, die unsere Arbeit nicht wertschätzen. Aber für die Leute, die es wertschätzen, für die mach’ ich meinen Job.“ Tsvetelin hört zu und nickt. Er ist ein ruhiger Typ und scheinbar kein Mann der großen Worte. Er ist gerade dabei alle Eimer, Putzmittel und Schrubber in den Renault Kangoo zurückzuräumen. „Danke für Ihre Arbeit, es war sehr sauber“, hört das Paar selten, freut sich dann aber umso mehr darüber. „Wir haben schon sehr viele nette Menschen kennengelernt. LKW-Fahrer kommen zu uns und sagen: „Ich bin jedes Mal auf diesem Rastplatz und jedes Mal begeistert.“ Solche Kommentare motivieren Denitsa und Tsvetelin, ihre Arbeit zu machen. „Es macht mir Spaß. Sonst würde ich ja nicht hier sein“, sagt Denitsa.
Kurz vor dem Überlaufen
Eine Station fehlt den beiden noch, ehe es in die wohlverdiente Mittagspause geht. Vom Parkplatz „Urweltfunde“ aus geht es knapp 20 Minuten in Richtung Stuttgart. Am Rastplatz Denkendorf reiht sich ein LKW an den nächsten. Das Toilettenhäuschen ist relativ neu, sei aber leider viel zu klein. „Diese Toiletten hier sind wirklich immer verstopft“, kommentiert Denitsa. Beim Öffnen der beiden Toilettentüren bewahrheitet sich ihre Prognose: „Guck, hab‘ ich doch gesagt“, sagt sie grinsend. Sowohl links als auch rechts sind die Schüsseln bis zum Rand hin mit Wasser gefüllt. An der Wasseroberfläche treibt eine dunkelbraune Masse, vermischt mit einigen Fetzen Klopapier. „Eigentlich geht das ganz schnell mit unserem Hochdruckreiniger, aber jetzt müssen wir eben damit auskommen“, sagt Denitsa und zeigt dabei auf den Pömpel neben ihr.
Das junge Paar ist seit einem Jahr und drei Monaten bei der Reinigungsfirma Savova angestellt. Zuvor hat Denitsa im Kindergarten gearbeitet. „Das hat mir nicht gefallen. Sie haben viel über mich gesprochen, weil ich Ausländerin bin.“ Aktuell gefällt ihr der Alltag als Reinigungskraft. Sie ist damit eine von deutschlandweit knapp 700.000 Personen, die in der Gebäudereinigung arbeiten. Der Anteil der geringfügig entlohnten Beschäftigten ist im Vergleich zu anderen Branchen sehr hoch. Ein Anteil von 27,4 Prozent, etwa 191.000 Personen, überschreitet das monatliche Einkommen von 556 Euro nicht. „Für die harte und manchmal auch nicht sehr angenehme Arbeit ein viel zu kleiner Lohn“, argumentiert Frank Tekkiliç, Pressesprecher der zuständigen Gewerkschaft IG BAU. Aktuell kämpfe diese für eine Jahressonderzahlung, so Frank Tekkiliç. „Monetär fehlt hier eindeutig die Wertschätzung“, fügt er hinzu.
„Für die harte und manchmal auch nicht sehr angenehme Arbeit ein viel zu kleiner Lohn.“
Alle Verstopfungen sind behoben, Müllberge beseitigt und der Edelstahl glänzt wieder wie neu. Denitsa und Tsvetelin sind durch mit ihrer Vormittagsschicht. Jetzt heißt es: Eine gute Stunde warten und dann geht der Spaß von vorne los. Bevor sie beide in ihren Wagen einsteigen, möchte Denitsa noch etwas loswerden: „Verlasst bitte die Toilette sauber! Ich meine: Klopapier ist umsonst, Seife ist umsonst – benutzt es auch.“ Mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen fahren sie davon.