„Ich glaube fest daran, dass das die authentischste Art und Weise ist, eine Kultur kennenzulernen und mit Menschen ins Gespräch zu kommen.“
„Exploring the world“
Henrik, unter deinem WhatsApp-Profilbild sticht folgender Status ins Auge: „Exploring the world“. Was verbirgt sich hinter diesen drei Worten?
Ich denke, sie fassen ziemlich gut meine letzten Monate zusammen. Momentan bin ich nämlich von meinem Studium aus im Auslandssemester. Ich war zuvor ein Semester an der Seoul National University in Südkorea und habe dort einen Intensivkurs in Koreanisch belegt. Ursprünglich hätte ich da schon vor einem Jahr sein sollen, aber wegen Corona hat sich alles nach hinten verschoben. Dann hat sich noch ein zweites Auslandssemester ergeben, wodurch ich jetzt in der Provinz Québec in Kanada gelandet bin. Hier studiere ich an der Bishop’s University und genieße vor allem die frankophone und anglophone Umgebung. Es ist eine große Leidenschaft von mir, Fremdsprachen zu lernen und aufrechtzuerhalten. Ich glaube fest daran, dass das die authentischste Art und Weise ist, eine Kultur kennenzulernen und mit Menschen ins Gespräch zu kommen.
Wie viele Fremdsprachen sprichst du denn insgesamt?
Ich spreche sechs Fremdsprachen: Englisch, Französisch, Spanisch, Bulgarisch, Koreanisch und etwas Chinesisch. Natürlich ist es eine Herausforderung, alle aufrechtzuerhalten, wenn man sie gerade nicht anwendet.
Welche Fremdsprache fiel dir bisher am schwersten zu lernen und warum?
Bisher war Chinesisch die größte Challenge. Mandarin unterscheidet sich nämlich am meisten von den Sprachen, die ich bereits gelernt habe. Denkt man an die romanischen Sprachen – in meinem Fall Französisch und Spanisch –, erschließt sich vieles von selbst. Das liegt daran, dass sich in diesen Sprachen Wortstamm, Satzbau und Vokabular sehr ähneln. Ganz anders ist es im Chinesischen. Bevor man mit den unzähligen Schriftzeichen anfängt, sollte man sich mit der durch die Pinyin-Umschrift angegebenen Aussprache vertraut machen. Es gibt fünf Töne, die einem sagen, wie man einzelne Silben aussprechen soll. Ein kleiner Patzer in der Aussprache genügt schon, um in ein Fettnäpfchen zu treten. So ist zum Beispiel die Aussprache von „Dürfte ich Sie etwas fragen?“ und „Dürfte ich Sie küssen?“ gefährlich ähnlich…
Wie kam es dazu, dass du heute so viele Sprachen beherrschst und dich dementsprechend auch als polyglott bezeichnen kannst?
Das habe ich meinen Eltern zu verdanken. Meine Mutter ist Bulgarin, was schon mal die slawische Sprache erklärt. Zur Vertiefung habe ich vor ein paar Jahren einen Bulgarischkurs an der Universität in Sofia belegt. Aufgrund des Jobs meines Vaters, der übrigens Deutscher ist, durfte ich schon von klein auf die Welt bereisen. Er wurde beruflich ins Ausland entsandt und wir als Familie sind da immer mitgezogen. Deshalb bin ich auch in Paris geboren. Von dort ging es weiter nach München, dann nach Frankfurt. Daraufhin folgte der erste interkontinentale Umzug nach Malaysia, wo man hauptsächlich Englisch spricht. Dort sind wir in die Hauptstadt KL, also Kuala Lumpur, gezogen. Danach kam Wien und die nächste Station war wieder Paris. Neben Französisch habe ich dort auch mit Spanisch an der Schule angefangen. Schließlich ging es wieder zurück nach Deutschland, und zwar in den Stuttgarter Raum nach Leonberg. Nach meinem Abitur habe ich bei TRUMPF in Ditzingen eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert und wurde für einen Monat nach Paris entsandt. So konnte ich mein Französisch wieder auffrischen. Für die vielen Möglichkeiten während der Ausbildung bin ich TRUMPF sehr dankbar. Grundkenntnisse in Chinesisch habe ich mir nach Abschluss meiner Ausbildung angeeignet, indem ich für zwei Monate an ein Sprachinstitut nach Peking gegangen bin. Dort habe ich einen Sinologiekurs absolviert, weil ich einfach die Herausforderung gesucht habe, ohne Vorkenntnisse Mandarin zu lernen. Bevor du mich jetzt fragst, ob ich mich als Deutscher, Bulgare oder wie auch immer sehe: Ich habe den deutschen Pass, spreche in meinem Elternhaus hauptsächlich Deutsch und sehe mich als Weltbürger.
Was bedeutet es für dich Weltbürger*in zu sein?
Sich an mehreren Orten dieser Welt wie zu Hause zu fühlen.
Wo war es für dich am schönsten?
Ich fand Malaysia sehr schön. Da verbinde ich wirklich schöne Erinnerungen mit, vor allem die Geburt meiner Schwester. Ich hatte dort eine super Schulzeit. Insbesondere die Klassenfahrten in den Dschungel haben sich mir eingebrannt.
Wie war das für dich, als du in so jungen Jahren immer wieder aus deinen Freundeskreisen entwurzelt wurdest und dich ständig auf die Suche nach neuen Freund*innen machen musstest?
Der erste große Umzug war der nach Malaysia. Ich weiß noch, wie sich all unsere Nachbarn am Abend unserer Abreise versammelten, um sich von uns zu verabschieden. Dann ging es mit zwei Taxis zum Frankfurter Flughafen. Währenddessen war unser ganzes Hab und Gut bereits auf dem Weg zum Containerschiff. Ja, ich war traurig, als ich meine Freunde aus dem Kindergarten und der ersten Klasse zurücklassen musste. Gleichzeitig war da aber auch so ein aufregendes Gefühl in mir, als ich neben meinem Vater im Flugzeug saß und wir auf die Startbahn rollten. Anfangs war es natürlich immer schwer, alles hinter sich zu lassen. Allerdings hatte ich auch immer meinen Zwillingsbruder bei mir. So war ich nie allein. Mit dem dritten, vierten Umzug habe ich mich jedoch an den „Umzugsflow“ gewöhnt. Viel mehr als das: Ich habe mich wirklich darauf gefreut, wieder in eine neue Umgebung zu kommen und eine neue Kultur kennenzulernen. Dasselbe galt natürlich auch für neue Schulkameradinnen und Schulkameraden.
Hast du heute noch Kontakt zu deinen Freund*innen aus dieser turbulenten Umzugszeit?
Selbstverständlich. Social Media hat es mir ermöglicht, meine Freundschaften zu pflegen und Treffen zu arrangieren. Nie werde ich den Moment vergessen, als mein Bruder und ich uns nach neun Jahren wieder mit zwei Freunden aus Pariser Zeiten zu einer Reunion getroffen haben. Das war schon etwas ganz Besonderes.
„Nie werde ich den Moment vergessen, als mein Bruder und ich uns nach neun Jahren wieder mit zwei Freunden aus Pariser Zeiten zu einer Reunion getroffen haben.“
Inwiefern haben dich deine Auslandsaufenthalte geprägt, zum Beispiel hinsichtlich deiner Persönlichkeit?
Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Erfahrungen bereits im jungen Alter machen konnte und ihnen habe ich es zu verdanken, dass ich heute so bin, wie ich bin. Ich führe meine Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Herausforderungen auf die Auslandsaufenthalte zurück. Auch, dass ich proaktiv bin, offen auf Menschen zugehe und gerne mit ihnen ins Gespräch komme, hat zweifellos mit den Auslandserfahrungen in meiner Kindheit und Jugend zu tun. Genauso meine Fähigkeit, mich in neuen Umgebungen schnell zurechtzufinden, zu integrieren und anzupassen. Sicherlich kommt meine Leidenschaft fürs Reisen und meine Affinität für Fremdsprachen auch nicht von ungefähr. Außerdem bin ich ein Familienmensch. All die Erlebnisse im Ausland haben uns als Familie umso enger zusammengeschweißt, da wir uns immer gemeinsam in ein neues Abenteuer gestürzt haben.
Hast du vor, eines Tages in die Fußstapfen deines Vaters zu treten, in dem Sinne, dass du später mal mit deiner eigenen Familie im Ausland leben möchtest?
Das Ganze reizt mich schon. Allerdings habe ich für die Zukunft noch keine konkreten Pläne. Vielmehr konzentriere ich mich auf das Hier und Jetzt, sprich auf mein Studium in Management and Technology. Zurzeit bin ich am Ende meines Bachelorstudiums und mache dann direkt im Anschluss den konsekutiven Master an der Technischen Universität München. Dennoch habe ich mir generelle Ziele gesetzt. Vor allem, dass ich im Ausland arbeiten möchte, weil mir dieser internationale Kontext sehr wichtig ist. Außerdem strebe ich eine Führungsposition an. Also ja, ich gehe schon sehr nach meinem Vater. Aber wie heißt es doch gleich so schön? Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Ein großer Wunsch von mir ist es, meinen Kindern beziehungsweise meiner Familie einmal dasselbe ermöglichen zu können, was mir ermöglicht wurde.
Was heißt das für dich im Spezifischen?
Die Welt zu erkunden, mit all ihren wunderschönen Facetten. Von den vielen verschiedenen und doch gleichen Menschen, über die Kulturen mitsamt all ihrer spannenden Geheimnisse, bis hin zu den idyllischsten und verborgensten Orten. Das Schöne am Reisen ist nämlich, dass es immer etwas Neues zu entdecken gibt.
„Das Schöne am Reisen ist nämlich, dass es immer etwas Neues zu entdecken gibt.“
Anmerkung: Der Autor ist der Zwillingsbruder des Protagonisten.