Flüchtlingshilfe
Flucht in ein neues Leben

11 Dec 2019
Nicht jeder Mensch hat das Privileg, in Sicherheit zu leben. Viele wagen deshalb den Aufbruch und fliehen in ein fremdes Land. Dort erwarten sie viele weitere Hürden, wie die Missverständnisse und Vorurteile in der Gesellschaft. Wie es für Flüchtlinge nach der Ankunft in Deutschland weiter geht und wie Nevenka Dietrich ihnen unter die Arme greift.
„Schwarzfahren“ ist zunächst ein unverfänglicher Begriff. Doch ein Kontrolleur der Deutschen Bahn stellt sich darunter etwas völlig anderes als ein Flüchtling aus Afrika vor. Nevenka Dietrich arbeitet daran, solche Konflikte zu meiden und klärt auf.
Die Leiterin der Agentur namens „Adevma Communication“ beschäftigt sich tagtäglich mit der Kommunikation zwischen Menschen. Neben ihren geschäftlichen Verpflichtungen ist es für sie eine große Herzensangelegenheit, Menschen in Not zu helfen. Bereits seit 14 Jahren unterstützt sie Flüchtlinge dabei, sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Einmal die Woche gibt sie ein Seminar für Flüchtlinge aus aller Welt. Die Teilnehmer könnten unterschiedlicher nicht sein. Von jung bis alt ist alles dabei, hier prallen die verschiedensten Kulturen aufeinander. Einer der wichtigsten Punkte des Seminares ist, den Teilnehmern die deutsche Sprache mit vielen bunten Beispielen näher zu bringen. Die Flüchtlinge erscheinen zahlreich, obwohl einige von ihnen bereits unter der Woche täglich einen Deutschkurs besuchen.
Für viele ist das Leben in Deutschland nicht ansatzweise mit dem Leben in der Heimat zu vergleichen: „Ich weiß, aus welchen teilweise sehr armen Verhältnissen die Menschen kommen, dass Einige gar nicht in der Schule waren, sondern ihr ganzes Leben auf dem Feld gearbeitet haben und ich weiß auch, dass das hier alles sehr viel für sie ist“, so Nevenka Dietrich. Um die Flüchtlinge über die Themen aufzuklären, die einem im Alltag über den Weg laufen, setzt Nevenka während der Seminare noch ganz andere Schwerpunkte: Wie ist ein Unternehmen aufgebaut? Welche Rechte und Pflichten habe ich bei dem Abschluss eines Vertrages? Auch die deutsche Kultur oder die Bedienung häuslicher Gegenstände, wie zum Bespiel ein Stromkasten werden thematisiert. Durch Ihre verständnisvolle Art, schafft sie eine familiäre Atmosphäre, in der sich jeder willkommen und akzeptiert fühlt. Es wird zusammen gelernt und sich gegenseitig geholfen.
Zwei Teilnehmerinnen des Seminares sind Segen Semere und Jihan Hussein Kirtan. Segen kommt aus Eritrea und entschloss sich, ihre Heimat aufgrund politischer Konflikte zu verlassen. Jihans Heimat ist der Irak, den sie wegen des Krieges verlassen musste. Beide Frauen sind seit knapp zwei Jahren in Deutschland und sehr froh, hier zu sein. Dass sie den Problemen ihres Herkunftslandes entfliehen konnten, bedeutet aber nicht, dass hier keine neuen auf sie warten.

Sprachlos bei der Ankunft
Wer sich in Deutschland ein Leben aufbauen möchte, muss auch die Sprache beherrschen. Segen lernt mittlerweile für ihr B2 Sprachzertifikat und kann sich somit schon gut auf Deutsch unterhalten. Doch gerade die ersten Monate nach ihrer Ankunft waren nicht leicht: „Als ich hier angekommen bin, konnte ich mit niemanden sprechen oder über meine Probleme reden, das war sehr schwer für mich". Doch für die Flüchtlinge ist es nicht nur wichtig, so schnell wie möglich Deutsch zu lernen, sondern auch sich im Alltag verständigen zu können.
Einen Asylantrag zu stellen, ist mit großen bürokratischen Hürden verbunden. Problematisch sind insbesondere Briefe von Ämtern oder Behörden, die nicht ins Englische übersetzt werden. Stattdessen sind die Briefe oft in einem Behördendeutsch geschrieben, welches auch Muttersprachler nicht immer auf Anhieb verstehen. Einige dieser Briefe handeln von Zahlungen oder Mahnungen. Die Flüchtlinge bekommen es in den meisten Fällen also gar nicht mit, dass sie sich in einer Mahnfrist befinden oder einen Termin wahrnehmen müssen. Die Teilnehmer des Seminares schätzen sich in diesen Fällen sehr glücklich, auf eine Ansprechpartnerin wie Nevenka zurückgreifen zu können.
Vorurteile aus zwei Perspektiven
Einige Flüchtlinge fühlen sich von der Gesellschaft nicht willkommen. Viele klagen darüber, aufgrund Ihres Aussehens oder Ihrer Hautfarbe anders wahrgenommen und behandelt zu werden. Ein Beispiel: Gezielte Kontrollen von Personen mit erkennbarem Migrationshintergrund auf der Straße, die von der Polizei nach ihren Ausweisen gefragt oder durchsucht werden. Dadurch kommt es oft dazu, dass sich die Flüchtlinge angegriffen fühlen und die Vorgehensweisen der Polizisten als rassistisch betiteln. Solche Vorfälle können dann zu zusätzlichen Kosten durch eine Geldstrafe führen.
Ewiger Teufelskreis: Geldsorgen
Ein alleinstehender Erwachsener bekommt im Monat aktuell 320 Euro von der Stadt. Dieses Geld allein reicht aber nicht immer aus. Flüchtlinge mit einer Aufenthaltsgestattung, aber noch keiner endgültigen Aufenthaltserlaubnis, benötigen für jede Arbeitstätigkeit eine Genehmigung und müssen diese erstmal bei der Ausländerbehörde beantragen.
Aufenthaltsgestattung VS. Aufenthaltserlaubnis
Eine „Aufenthaltsgestattung“ erhält jemand, nach der Stellung eines Asylantrags. Diesen Aufenthaltsstatus behält man über die gesamte Dauer des Asylverfahrens und wird mit dessen Ende unwirksam.
Die „Aufenthaltserlaubnis“ wird einem befristet und zu einem bestimmten Zweck, beispielsweise einer Ausbildung, erteilt.
Um diese Genehmigung beantragen zu können, ist es ebenfalls notwendig, im Besitz seiner Identitätspapiere zu sein. Ohne diese Papiere ist es nicht möglich, einen Mini-Job zu machen. Einige Flüchtlinge haben diese Identitätsdokumente schon in ihrer Heimat nicht besessen. Um auch nur eine Chance auf die Ausstellung der Papiere zu haben, ist es in solchen Situationen erforderlich, rechtlich vorzugehen. Dies ist mit Anwaltskosten verbunden und dadurch für viele ebenfalls nicht möglich.
Auch Segen ist davon betroffen. Sie hat in Eritrea als Krankenschwester gearbeitet. Diesen Beruf möchte sie gerne auch hier weiterhin ausüben. Allerdings fehlen ihr jegliche Bescheinigungen oder Nachweise über ihre Tätigkeit als Krankenschwester. Die Aussichten, diese zu bekommen, stehen schlecht. Sobald sie eine endgültige Aufenthaltserlaubnis bekommt, muss sie daher ihren eigenen Beruf neu erlernen.