Wohnzimmerlesung

Zwischen fremden Büchern

Veronika signiert mein Exemplar ihres neuesten Romans.
28. Jan. 2018

Es kommt nicht jeden Tag vor, dass ich gemeinsam mit mir fremden Menschen in einem fremden Wohnzimmer sitze. Genau das ist jedoch das Konzept einer Wohnzimmerlesung – gemütlich und privat soll es sein und meine Generation dazu ermutigen, sich wieder mehr mit Literatur zu beschäftigen.

Die Literatur stirbt aus. Das ist eine Tatsache, die sich in den letzten Jahren immer mehr herauskristallisiert hat und jetzt traurige Realität ist. Der Leseanspruch entwickelt sich zurück, Printbücher konkurrieren mehr und mehr mit E-Books, die von jedem veröffentlicht und rund um die Uhr hochgeladen werden können. Qualität: egal, solange das Geld stimmt. Der Traum des Bestsellerautors wird romantisiert, es herrscht der Irrglaube, dass man mit Büchern schnell Geld verdienen kann. Aber nicht nur mangelnde Qualität sorgt dafür, dass viele sich von Büchern abwenden. Zu groß ist das Angebot im Internet an Filmen, an Serien und den sozialen Medien. Anderes, das schneller zu konsumieren ist und weniger Konzentration erfordert.

Paradox also, dass gerade das Internet der Schlüssel sein könnte, um Lesen wieder attraktiv zu machen, denn auch Literatur kann jung und hip sein. Vor allem Autoren, die in kleineren Verlagen veröffentlichen, sind in sozialen Netzwerken sehr aktiv. Dort stehen sie in Kontakt mit ihren Lesern, in verschiedenen Gruppen werden Bücher diskutiert. Der Fokus verschiebt sich von offline zu online: Es gibt unzählige erfolgreiche Buchblogs und auch Portale, in denen Bücher rezensiert werden können. Hier zeigt sich der Trend zum Rückzug ins Private: Die Schwelle, rauszugehen und fremde Leute zu treffen ist zu hoch.

Genau diese Gruppe spricht eine Wohnzimmerlesung an. Fremde Menschen sitzen zusammen und hören einem Autor zu, sind ganz nah dabei, wenn er über seine Protagonisten erzählt. Eine dieser Autoren ist Veronika Serwotka – sie schreibt Fantasy, sitzt auf einer fremden Couch und liest aus ihrem neuen Roman vor. Die Wohnung gehört Claudia Löschner, der Veranstalterin der Lesung. Die beiden haben sich über eine Facebook-Gruppe kennengelernt, nur ein Beispiel dafür, wie sich angeblich trockene Literatur und das Internet verbinden lassen. 

Die Wohnzimmerlesung bietet offline eine Verbindung zwischen Autor und Leser und zeigt: Autoren sind auch nur Menschen. Deswegen: traut euch und teilt die Leidenschaft für Bücher mit anderen. Denn Lesen ist alles, aber keineswegs einsam.

Gedimmtes Licht trägt zu einer gemütlichen Atmosphäre bei.
Für Essen und Trinken ist gesorgt.
Tasmin, Veronikas Frau, und Claudia hören gespannt zu.
Veronika markiert sich in ihrem speziellen „Leseexemplar“ alle Änderungen, die ihr das Lesen erleichtern.
Veronikas neuster Roman − der zweite Band einer Trilogie.

Veronika Serwotka schreibt, seit sie denken kann. „Wyvern − Die Leidenschaft des Reiters" ist ihr inzwischen fünfter Roman, den sie im Eisermann-Verlag veröffentlicht hat. Weitere Informationen gibt es auf ihrer Homepage.

Dr. Claudia Löschner studierte Literaturwissenschaft und arbeitete an der Universität Stuttgart, bis sie Freiberuflerin wurde. Jetzt ist sie Biografin, Rednerin und Organisatorin der Wohnzimmerlesungen. Weitere Informationen gibt es auf ihrer Homepage.